Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

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Erst mit dem Minister (Staatssekretär, Ministerium) beginnt die eigentliche Behörden- 
ordnung. Sein Verhältnis zum Staatsoberhaupt kennzeichnet sich durch die unbedingte 
Gehorsamspflicht, deren Verweigerung einerseits das freie Entlassungsrecht des Staatsober- 
haupts, andrerseits das ebenso freie Rücktrittsrecht des Ministers begründet. Verkehrt wäre 
es aber, das Verhältnis zwischen Staatsoberhaupt und Minister nach dem Verhältnisse eines 
Herrn zu seinem Diener zu beurteilen 3. Die Direktiven, die der Minister vom Staats- 
oberhaupt erhält, sind nicht blindlings auszuführen, sondern im Einklang mit den be- 
stehenden Gesetzen und mit der Staatsraison. In beiden Beziehungen trifft auch den 
Minister allein die Verantwortung. Sofern der Minister im Rahmen des Rechts 
eine Entscheidung erlassen hat, kann auch das Staatsoberhaupt dieselbe nicht durch einen 
eigenen Beschluß abändern; der Monarch kann höchstens den Minister veranlassen, seine 
Entscheidung aus Zweckmäßigkeitsgründen zu ändern oder ganz zurückzuziehen. Der 
Minister ist also die erste und ordentliche Verwaltungsbehörde. Von ihm aus strahlt 
fächerförmig der Organismus derjenigen Verwaltungsbehörden aus, welche die Ver- 
waltungsfunktionen im einzelnen auszuüben haben, soweit sie nicht zur eigenen Zu- 
ständigkeit des Ministers gehören. Gesetzlich ihm persönlich zugewiesene Funktionen 
kann der Minister regelmäßig nicht an ihm untergeordnete Amter übertragen; falls er 
es doch tut, ist die Entscheidung dieses Amtes nur eine vorläufige, den Minister nicht 
bindende ". Im übrigen kann er die Unterbehörden mit dem Erlaß gewisser Verfügungen 
beauftragen, kann sie auch förmlich dazu delegieren, so daß sie an seiner Stelle handeln, 
er kann ihnen sogar stillschweigend gewisse Gebiete der Verwaltungstätigkeit über- 
lassen. Wo andrerseits bestimmte Anordnungen durch Gesetz gewissen Verwaltungs- 
behörden übertragen sind, kann sie der Minister nicht an ihrer Stelle selbst vornehmen, 
unbeschadet seines Rechts, in allen Fällen durch Dienstanweisung die Ausführung der 
Verwaltungsfunktionen der Behörden zu regeln. Der Minister hat so die Leitung 
und die Aufsicht über sämtliche Verwaltungsdienstzweige. Ein Verordnungsrecht kraft 
seiner Stellung als solcher hat der Minister nicht, vielmehr beschränkt sich dieses Recht 
nur auf die ihm ausdrücklich durch das Gesetz zugewiesenen Gegenstände. 
ebensowenig hat der Minister die Befugnis, neue Amter zu schaffen; diese Be- 
fugnis ist vielmehr dem Gesetz oder dem Staatsoberhaupt vorbehalten. Das Ernennungs- 
recht des Ministers bezüglich einzelner Beamtenklassen beschränkt sich auf bereits vor- 
handene Amter. 
Kraft der hierarchischen Rangordnung stehen die untergeordneten Behörden in 
einem Abhängigkeitsverhältnis zum Minister, das im Dienstbefehl zum Ausdruck 
kommt. Die untere Verwaltungsbehörde schuldet der übergeordneten unbedingten Ge- 
horsam. Soweit sie kraft Gesetzes oder kraft Verordnung eine eigene Zuständigkeit 
hat, führt sie Dienstbefehle nur so weit aus, als die vorgesetzte Behörde ihr den ent- 
sprechenden Auftrag übermittelt und weiterhin in der Form und in der Begrenzung, 
wie ihr dies vorgeschrieben ist 5. Die der Unterbehörde übertragene Befugnis ist mithin 
gewissermaßen latent (O. Mayer S. 46) bei der Oberbehörde verblieben. Die vor- 
gesetzte Behörde kann zwar nicht selbst mit dem Erlaß der in das der Unterbehörde 
vorbehaltene Gebiet fallenden Anordnung beginnen; wenn aber die Unterbehörde ge- 
handelt hat, kann der Vorgesetzte erneut so verfügen, als läge überhaupt eine Ent- 
scheidung der Unterbehörde nicht vor. 
Ein weiterer, der französischen Verwaltungsrechtswissenschaft entnommener Grund- 
satz " betrifft den Fall, daß das Gesetz einer unter dem Minister stehenden Behörde 
(Bezirkspräsident, Bürgermeister) den Erlaß von Polizeiverordnungen übertragen hat. 
Ist die vorgesetzte Behörde mit einer solchen Verordnung inhaltlich nicht einverstanden, 
so kann sie dieselbe in Ausübung ihres Uberwachungsrechtes nicht etwa abändern, sondern 
  
9 
  
2 So O. Mayer a. a. O. S. 50. 4 O. Mayer a. a. O. S. 51. 
* Dutour I1 Nr. 136: O. Mayer S. 42: Geht der der Dienstpflicht entsprechende Auftrag 
über das gesetzliche Maß hinaus, so ist er dem einzelnen Bürger gegenüber allerdings ungültig:; 
es greift hier die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein. ç 
" Mayer a. a. O. S. 47 und die in Note 8 u. 9 zitierten Schriftsteller. 
Fischbach, elsaß-Lothringen. 5
	        
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