18 Die Trennung der Gewalten. 75
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Historisch betrachtet liegt die Sache allerdings, wie bereits oben (S. 70) ausgeführt, gerade
umgekehrt; durch die Trennung der Gewalten sollte die Verwaltung vor der Justiz gesichert werden
und dies aus folgenden Gründen: Die alten Parlamente (Gerichtshöfe) waren nicht nur staatliche
Behörden, sondern auch politische Körperschaften gewesen, die immer eifrig bestrebt waren, ihren be-
deutenden Einfluß auf die Verwaltungsakte des Staates noch weiter auszudehnen: oft haben sie
störend in die Verwaltung der königlichen Beamten eingegriffen und sich auch selbst Verwaltungs-
handlungen angemaßt. Sie hatten Verwaltungsbeamte vor ihr Forum gestellt und waren selbst mit
ihren Vollstreckungsbeamten vorgegangen. Der König kam allerdings den ihm untergeordneten Be-
amten hierbei zu Hilfe, es entstanden aber jedesmal dabei nicht unerhebliche Reibungen, die zu
ernstlichen Störungen des staatlichen Lebens führten. Während der Revolutionsperiode wiederum
waren die Gerichte die Gegner der revolutionären Ideen, indem sie sich den Bestrebungen der Um-
sturzparteien entgegenstellten. Wegen dieser ihrer konservativen Gefinnung suchten die Revolutions-
männer hauptsächlich ihren Einfluß zu brechen. Diesen Umständen verdankt die Gesetzgebung über
die Trennung der Gewalten ihre Entstehung.
I. Die grundlegenden Bestimmungen sind enthalten im Art. 13 Titel 2 des Gesetzes
vom 24. August 1790; hier ist ausgesprochen, daß das Richteramt für immer von den Amtern
der Verwaltung geschieden sei, und daß die Richter in keiner Weise die Tätigkeit der Verwaltungs-
behörden stören dürfen. Weiter ist im Dekret vom 16. fruct. III bestimmt: „Den Gerichten
wird hiermit wiederholt bei Strafe verboten, über Verwaltungshandlungen irgendwelcher Art zu
erkennen.“ In gleicher Weise ist den Verwaltungsbehörden untersagt worden, über Angelegenheiten
Enticheidung zu treffen, welche vor die Gerichte gehören, und sonstwie in das den Gerichten über-
ublic 1902 S. 234, 439; G. Jeze, Verwaltungsrecht der franz. Republik (Off. R. d. Gegenw.
Bd. XXIII, 1913) S. 169 f.; Kormann, Beziehungen zwischen Justiz und Verwaltung, im
Jahrb. d. öff. R. 7 (1913) S. 1f. Die Idee der Trennung der staatlichen Gewalt in drei Gewalten
(puissance exécutrice, puissance EGgislative und puissance de jagerk. hat Montesquien zuerst
in seinem Werke „De l’esprit des lois“ (1748) entwickelt (vgl. ivre XI chap. IV, VI). Die
Trennung der Gewalten (séCparation des pounoiry ermöglicht erst eine ordnungsmößige Staats-
regierung. M. ist der Ansicht, daß die puissance Egislative über der puissance exécutive und
der puissance de juger stehe. Spätere Schriftsteller haben im Anschluß an Rousseau den Nachweis
zu liefern versucht daß die richterliche Gewalt überhaupt nicht als besondere Gewalt von der
puissance exécutive zu trennen sei. Vgl. Duguit, La séparation des pouvoirs et I’assemblée
nationale de 1789; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 453 f.; Redslob, Die Staatstheorien
der französischen Nationalversammlung von 1789, S. 285, 293. Die Lehre Montesquienus von der
Trennung der Gewalten hat in den Verfassungsurkunden fast aller europäischen Staaten Eingang
geiunden. Das Reichsrecht hat diesen Grundsatz im G.V.G. v. 27. Jan. 1877 reichsgesetzlich zur
eltung gebracht. „Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene
Gerichte ausgeübt“ (§ 1 G. B.G), und § 171 zit.: „Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit
des Rechtsweges.“ (Val. auch F. Stein, Die Grenzen und Beziehungen zwischen Justiz und Ver-
waltung.) Laband (II S. 172) betont richtig, daß die Lehre von der Teilung der Gewalten nicht
von dem verschiedenen Inhalt oder Tatbestand der staatlichen Akte, sondern von der verschiedenen
staatsrechtlichen Stellung der Organe, welche zur Vornahme staatlicher Geschäfte berufen find,
ausgeht. (Ahnlich Keetman a. a. O. S. 75, der die Exekutive sich trennen läßt durch eine
"Cparation des autorités). Die Gesetzgebung gibt sich kund in unveränderlichen, auf freier
Willensbestimmung beruhenden und auch der Rcchtsordnung selbst gegenüber freien Akten. Die
Nechtsprechung (ponvoir judiciaire) ist innerhalb der Schranken der Rechtsordnung unabhängig von
der Verwaltung. Der charakteristische Unterschied zwischen Gerichten und anderen Staatsbehhrden
besteht in folgendem: Sie find den Anweisungen des Staatsoberhauptes und der von ihm ernannten
Beamten keinen dienstlichen Gehorsam schuldig. (Gaband a. a. O)
Der Zuständigkeitsbereich der Gerichte, Perwaltunfsbehörden und Gesetzgebungsorgane ist
nicht klar abgegrenzt. Die Gerichte find nicht auf die Rechtsprechung, die Verwaltungsbehörden nicht
auf die Verwaltung und die Gesetzgebungsorgane nicht auf die Rechtsetzung beschränkt. Aber eine
bestimmte Tätigkeit ist für jeden der drei Zuständigkeitsbereiche das wesentliche Lebenselement
(Laband a. a. O.; Fleiner S. 12). Die Rechtsprechung umfaßt grundsätzlich bürgerliche Rechts-
streitigkeiten und Strafsachen, allein sie umfaßt nicht alle Rechtsprechung, und außerdem können ihr
noch andere Aufgaben zugewiesen werden. Nach G.V.G. § 13 sind die Landesgesetzgebungen von der
Reichsgesetzgebung für besugt erklärt, die Beurteilung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Straf-
sachen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten zu übertragen, sofern nicht reichsrechtliche
Spezialvorschriften bestimmte Streitsachen den ordentlichen Gerichten zugewiesen haben (z. B. G.V. G.
§ 9). Für den Bereich der Strafsachen hat jedoch das Reichsrecht diese Ermächtigung selbst wieder
durch eine Spezialbestimmu eingeschränkt, nämlich dahm, daß Verwaltungsbehörden nur die
Ahndung von polizeilichen ertretungen und Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die
Erhebung öffentlicher Abgaben und Ggäne übertragen werden können und auch diese nur, soweit
die Srecse eine bestimmte Grenze nicht überschreitet (Str. P. O. §§s 453, 459). Fleiner S. 13. In
Elsaß-Lothringen ist auch innerhalb der letzteren Grenzen eine Übertragung der Strafgewalt
auf Verwaltungsbehörden unzulässig.