Einleitung.
I. Geschichtliche Hbersicht.
Am 1. Januar 1900 ist das Bürgerliche Gesetzbuch in
Kraft getreten (a. 1 EcS.). Mit dem gleichen Zeitpunkte
ist die ausschließliche Zuständigkeit des Reichsgerichts gegen-
über obersten Landesgerichten auf alle Zivilprozesse erstreckt, in
denen sich das erhobene Begehren auf das Bürgerliche Gesetz-
buch stützt (a. 6).!) Damit ist für Deutschland zum ersten
Male in der Geschichte die Einheit auf dem Gebiete
des Privatrechts in Gesetzgebung und Rechtsprechung im wesent-
lichen erreicht.
Das deutsche Privatrecht des Mittelalters, welches den
Vorzug nationaler Eigenart in einem später niemals wieder
erreichten Maße aufzuweisen hatte, zeigte gleichwohl oder rich-
tiger gerade deshalb, trotz mancher Übereinstimmung in dem
grundsätzlichen, eine ungemein große Verschiedenheit im einzelnen.
Und diese dezentralisierende Tendenz erhielt sich auch, nach-
dem durch die förmliche Rezeption der beiden Weltrechte des
Mittelalters, des römischen und des kanonischen Rechts, schein-
bar ein einheitliches Recht für Deutschland erreicht war.
Das rezipierte Recht, dessen Umfang und Inhalt keines-
wegs feststand und das auch bis zur Gegenwart die erforder-
liche Bestimmtheit nicht erlangt hat, erhob von vornherein nur
den Anspruch auf eine subsidiäre dem Land- und Stadtrecht
nachgebende Geltung. Und wenn die Rechtsanschauung des
deutschen Volkes, dem man doch nicht so ohne weiteres ein
fremdes Recht des Altertums aufdrängen konnte, sich unwider-
stehlich Bahn brach, so war dafür der durch die Verhältnisse
gewiesene Weg die partikulare Rechtsgestaltung durch Gesetz
und Gewohnheit.
1) Vgl. auch EG. zu dem Gesetz, betr. Anderungen d. KO. a. F.