104 I. Das Deutsche Reich.
kann aufgelöst, diese Auflösungsverfügung aber im Wege
des Verwaltungsstreitverfahrens oder im Wege des Re-
kurses nach §§ 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten
werden. Jeder politische Verein muß einen Vorstand
und eine Satzung haben. Diese sowie das Verzeichnis
der Mitglieder des Vorstandes ist der Polizeibehörde
einzureichen. Offentliche Versammlungen zur Erörterung
politischer Angelegenheiten sind mindestens 24 Stunden
vorher der Polizei anzuzeigen. Dieser Anzeige bedarf
es nicht für öffentlich bekanntgemachte sowie für Wahl-
versammlungen und Versammlungen zur Erörterung von
Verabredungen und Vereinigungen zur Erlangung gün-
stiger Lohn= und Arbeitsbedingungen. Offentliche Ver-
sammlungen unter freiem Himmel und Aufszüge auf öffent-
lichen Straßen oder Plätzen bedürfen der Genehmigung
der Polizeibehörde, die nur unter bestimmten Voraus-
setzungen versagt werden darf. Jede öffentliche politische
Versammlung muß einen Leiter haben, bewaffnet darf
in öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen nur er-
scheinen, wer dazu vermöge seines Berufs berechtigt oder
behördlich besonders ermächtigt ist. In der Regel sind
die Verhandlungen in öffentlichen Bersammlungen in
deutscher Sprache zu führen. Den von der Polizeibe-
hörde entsendeten Beauftragten — ihrer dürfen nicht
mehr als zwei sein — muß ein angemessener Platz ein-
geräumt werden. Unter bestimmten gesetzlichen Voraus-
setzungen, z. B. wenn die Bescheinigung über die ord-
nungsmäßige Anzeige nicht vorgelegt werden kann, wenn
in der Versammlung Anträge oder Vorschläge erörtert
werden, die eine Aufforderung oder Anreizung zu Ver-
brechen beziehentlich Vergehen enthalten usw., sind diese
befugt, unter Angabe des Grundes die Versammlung
für aufgelöst zu erklären. Personen unter 18 Jahren
dürfen nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein
und weder in den Versammlungen solcher Bereine, sofern
es sich nicht um Veranstaltungen zu geselligen Zwecken
handelt, noch in öffentlichen politischen Versammlungen
anwesend sein.
In einigen Punkten ist die Regelung den Landes-
zentralbehörden überlassen. In Sachsen ist diese durch
die Ausführungsverordnung vom 12. Mai 1908 erfolgt,
in der u. a. bestimmt wird, welchen Anforderungen die