110 I. Das Deutsche Reich.
kostengesetzes und der Gebührenordnung für BRechtsan-
wälte vom 7. Juli 1879 vorgenommen worden.
Nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetze wird die
richterliche Gewalt durch unabhängige, nur dem Gesetze
unterworfene Gerichte, und zwar sowohl die Zivilrechts-
pflege (Rechtsprechung wegen im wesentlichen vermögens-
rechtlicher Streitigkeiten) als die Strafrechtspflege
(Rechtsprechung über strafbare Handlungen) von Amts-
gerichten, Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem
Reichsgerichte in Leipzig ausgeübt. Aiemand darf seinem
gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte
sind unstatthaft. (Ausnahmen: u. a. die Gewerbegerichte,
S. 74ff., und die Kaufmannsgerichte, S. 114). Die ordent-
lichen Gerichte sind mit Bichtern besetzt, die eine gleich-
mäßige Ausbildung (dreijähriges Studium der Rechts-
wissenschaft, Ablegung der ersten oder Universitätsprüfung
und nach einem Vorbereitungsdienst von mindestens drei
Jahren der zweiten, der Assessorprüfung) genossen haben
müssen. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt und
können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Ent-
scheidung oder aus gesetzlich bestimmten Gründen ihres
Amtes enthoben oder in den Ruhestand oder auch nur
in eine andere Stelle versetzt werden.
gue Den Amtsgerichten — in Sachsen bestehen deren
zurzeit 112 — stehen Einzelrichter vor. Ist ein Amts-
gericht mit mehreren Richtern besetzt, so wird einem von
ihnen von der Landesjustizverwaltung die allgemeine
Dienstaufsicht übertragen. Die Amtsgerichte sind zuständig
für alle vermögensrechtlichen Streitigkheiten, deren Gegen-
stand einen Wert von 600 . nicht übersteigt, sowie für
Mietstreitigkeiten, Gesindestreitigkeiten, Streitigkeiten zwi-
schen Reisenden und Wirten usw. Für die Entscheidung leich-
terer Straffälle sind am Sitze des Amtsgerichts Schöffen-
gerichte eingerichtet, welche aus dem Amtsrichter als
Vorsitzenden und zwei Laien (ichtrichter), Schöffen ge-
nannt, zusammengesetzt sind. Das Schöffenamt ist ein
Ehrenamt, zu welchem jeder unbescholtene Deutsche, der
das 30. Lebensjahr vollendet und bereits zwei volle
Jahre in dem Gemeindebezirk gewohnt hat, berufen
werden Kkann. Die zu Schöffen geeigneten Personen
werden alljährlich in Listen für die Gemeinden und
Amtsgerichtsbezirte zusammengestellt. Ein aus dem