Full text: Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Deutschen Reiches und des Königreiches Sachsen.

Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. 211 
vom Stimmrechte ausgeschlossen, außer den nicht Unbe— 
scholtenen und den in politischen Gemeindewahlen wegen 
sittlichen Mangels oder wegen mangelnder bürgerlicher 
Unbescholtenheit Ausgeschlossenen, alle diejenigen, welche 
durch Verachtung des Wortes Gottes oder unehrbaren 
Lebenswandel äöffentliches, durch nachhaltige Besserung 
nicht wieder gehobenes Argernis gegeben haben, ferner 
diejenigen, welche trotz des vermittelnden Einschreitens 
des Kirchenvorstandes die Trauung unterlassen oder die 
Taufe oder Konfirmation ihrer Kinder unterlassen bzw. 
verweigern und deshalb die Stimmberechtigung bei den 
Kirchenvorstandswahlen verloren haben. Wählbar sind 
nur stimmberechtigte Gemeindemitglieder von gutem Mufe, 
bewährtem christlichen Sinne, kirchlicher Einsicht und 
Erfahrung, die das 30. Lebensjahr vollendet haben.! 
Die Wahl erfolgt durch mündliche und schriftliche, jeden- 
falls aber persönliche Stimmenabgabe der in der Wähler- 
liste eingetragenen Hausväter Sonntags unter Leitung 
eines vom Kirchenvorstande gewählten Wahlausschusses. 
Erstrecht sich die Kirchgemeinde auf die Bezirke ver- 
schiedener politischer Gemeinden, so sind die Kirchenvor- 
steher je von den im Bezirke der einzelnen politischen 
Gemeinde wohnenden Kirchgemeindemitgliedern aus ihrer 
eigenen Mitte zu wählen. Für die etwa sich erforderlich 
machende gesonderte Vertretung von Kirchgemeindeteilen 
gelten besondere Vorschriften. Nach dem Kirchengesetze 
über den Haushalt der evangelisch-lutherischen Kirchen- 
gemeinden vom 10. Juli 1913 ist das Stammver= 
mögen der Kirchen und Kirchgemeinden, abgesehen von 
dringenden Fällen, in denen das evangelisch-lutherische 
Landeskonsistorium Ausnahmen bewilligt, unverändert 
zu erhalten. Zur Aufnahme von Kirchgemeindeschulden 
ist vorgängige Genehmigung der Kircheninspektion er- 
forderlich, wenn die Schuldenvermehrung innerhalb 
Jahresfrist bei einer Seelenzahl von unter 1000 mehr 
1 Der Verlust der Stimmberechtigung und Wählbarteit bei 
Kirchenvorstandswahlen, sowie die Unfähigkeit zur Ubernahme 
kirchlicher Ehrenämter ist ein Ausfluß der sogenannten Kirchen- 
Lucht, Eine weitere Nirchliche Strafe für Unterlassung von Taufe, 
rauung und RKonfirmation sowie für Schließung einer gegen 
die kirchlichen Ehehindernisse verstoßenden Ehe ist die Aus- 
schließung von dem Bechte, Taufzeuge zu sein. 
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