Full text: Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Deutschen Reiches und des Königreiches Sachsen.

Reichsverfassung. 39 
verstärkung, ebenso auch wieder für die Rechnungsjahre 
1899—1902, in denen die Bundesstaaten aus ihren 
Kassen bis über 24 Millionen Mark jährlich für die 
Bedürfnisse des Reiches aufzuwenden gehabt haben, ein 
Minderbetrag der Uberweisungen gegen die Matrikular- 
beiträge ergeben hatte. Nach dem Voranschlage für das 
N-echnungsjahr 1903 würde dieser Minderbetrag sogar 
auf nahezu 96 Millionen Mark sich beziffert haben, 
doch wurde beschlossen, hiervon 72 Millionen Alark auf 
dem Wege einer sogenannten Ergänzungsanleihe zu 
dechen, um die Belastung der Einzelstaaten einigermaßen 
zu vermindern. Diese Ergänzungsanleihe ist als eine 
schwebende Schuld gedacht, deren Tilgung aus Rkünftigen 
Uberschüssen erfolgen soll. In den beiden folgenden 
Jahren überschritten die Matrikularbeiträge die Uber- 
weisungen dergestalt, daß ein erheblicher Teil der un- 
gedechten Matrikularbeiträge den Einzelstaaten gestundet 
werden mußte.! Die Einzelstaaten vor den aus diesen 
Schwankungen für sie hervorgehenden finanziellen 
Schwierigkeiten zu bewahren, bezweckte das Gesetz vom 
14. Mai 1904, die nach ihrem Urheber benannte Lex 
Stengel. Durch dieses wurde die Uberweisung eines 
Teiles des Ertrages der Zölle und der Tabaksteuer an 
die Einzelstaaten aufgehoben. Konnte dadurch auch nicht 
verhindert werden, daß infolge des etwaigen Zurück- 
bleibens der Erträge aus den Branntweinsteuern und 
den Neichsstempelabgaben die tatsächlichen Aberweisungen 
hinter den Etatsanschlägen zurüchblieben, so bewirkte es 
doch, daß die vornehmlich in Betracht Rkommenden 
Schwankungen der Zolleinnahmen auf die finanziellen 
Verhältnisse der Einzelstaaten nicht mehr zurückhwirken, 
diese Wirkungen vielmehr die Reichskasse selbst aushalten 
muß. Dieser „kleinen“ Finanzreform mußte aber eine 
umfassendere folgen, wenn der Uberbelastung der Bundes- 
staaten durch Matrikularbeiträge sowie der finanz= und 
—–. — —— —— — 
1 In den Jahren 1872—1907 waren 8433,3 Millionen Mark 
vom Beiche an die Bundesstaaten, dagegen 8682,7 Millionen 
Mark von diesen an das Neich gezahlt worden. Diese hatten 
also 249,4 Millionen Mlark mehr abgeführt als erhalten. Da- 
gegen beanspruchte das Beich 1912 an MWatrikularbeiträgen 
247 Millionen und überwies den Gliedstaaten nur 195 Mil- 
lionen Mark.
	        
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