134 $ 9. Inhalt der verwaltungsrechtlichen Verhältnisse.
Raum für das freie Ermessen der Behörde beginnt und wo er
endigt, selbst wieder eine Rechts- und keine Ermessensfrage.?
Die Ermessensüberschreitung stellt eine Rechtswidrigkeit dar.
Allein nicht bloß diese äußeren Grenzen hat die Behörde zu
achten. Ihrem freien Ermessen sind auch innere Grenzen ge-
setzt: es ist ihr verboten, in ihrem freien Raum nach Willkür
zu schalten; sie darf bei der Handhabung ihres Ermessens in
jedem einzelnen Falle nur den Momenten Einfluß gewähren, die
das Gesetz in einem Falle dieser Art berücksichtigt haben will.
Ermessensmißbrauch steht rechtlich der Ermessensüberschreitung
gleich. *
Weil sich der eigene Wille der vollziehenden Organe an den
festen Schranken der Rechtsordnung bricht, so versuchen die
Verwaltungsbehörden nicht selten, die Freiheit, die ihnen das
8 Das Bedenken gewinnt eine besondere Bedeutung für die Ver-
waltungsgerichtsbarkeit. Der Prüfung der Verwaltungsgerichte sind die
„Ermessensfragen‘‘ entzogen. Ob aber die Verwaltungsbehörde nach ‚‚freiem
Ermessen‘ handeln durfte, ist Rechtsfrage; sie gehört daher nicht zum
unüberprüfbaren Ermessen. Vgl. darüber Fleiner, Einzelrecht und
öffentliches Interesse, S. 6ff. Insbesondere aber v. Laun, Freies Er-
messen $. 220ff. 8. auch unten $ 15.
*% Beispiele: Die Polizei darf der Bewegungsfreiheit des Einzelnen
Beschränkungen auferlegen. Sie darf dies aber nur zur Erreichung polizei-
licher Zwecke tun und nicht zur Erlangung finanzieller Vorteile. Un-
zulässig ist es daher, wenn die Polizei einem Privaten die Aufstellung
eines Strandkorbes an dem dem Gemeingebrauch unterworfenen Meeres-
strand verbietet, um ihn dadurch zur Entrichtung einer von der Gemeinde
— zu Unrecht — erhobenen Benutzungsgebühr zu zwingen. Preuß.
Ober-Verw.-Gericht 18. Mai 1909 (Entscheidungen Bd. 54, S. 262). Es
ist das Verdienst der oben Anm. 1 zitierten Schrift von R. v. Laun,
Das freie Ermessen und seine Grenzen, 1910, die Bedeutung des Ermessen-
mißbrauchs genauer untersucht zu haben. Vgl. daselbst namentlich die
Ausführungen auf den Seiten 175, 183, 203, 208, 216, 230, 265, 267. —
Rechtswidrig ist ferner ein polizeiliches Verbot, das den Besitzer eines
Kinematographen zur Einstellung der polizeilich genehmigten Vor-
stellungen an einem bestimmten Tage zwingt, um ihn zu verhindern,
einem auf denselben Tag angesagten öffentlichen Konzert Konkurrenz
zu machen. Preußisches Ober-Verw.-Gericht 1. Oktober 1909 (Ent-
scheidungen Bd. 55, S. 459). — Ermessensmißbrauch liegt auch vor, wenn
eine Behörde willkürlich und im offenen Widerspruch zu den tatsächlichen
Verhältnissen eine Schankkonzession wegen mangelnden Bedürfnisses
verweigert. (GewO. $ 33).