$ 10. Subjekte der verwaltungsrechtlichen Verhältnisse. 151
wenn von Gesetzeswegen des Vertreters Wille darüber ent-
scheidet, ob das zu leisten ist, was die öffentliche Verwaltung vom Ver-
tretenen verlangt (Steuerzahlung usf.), so muß der Zwang zur Herbei-
führung dieser Leistung und die Strafe, die wegen des Nichtleistens
angedroht ist, gegen den Stellvertreter persönlich gerichtet werden.
3. Können auch juristische Personen Subjekte öffentlicher Rechte
und Pflichten sein? Schon ein flüchtiger Blick in die Praxis zeigt uns,
daß die Frage zu bejahen ist.*? Das Flaggenrecht kann auch voneiner
juristischen Person fürihre Kauffahrteischiffein Anspruchgenommen
werden ;** die Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht, die Pflichten,
die dem Arbeitgeber nach der Arbeiterversicherungsgesetzgebung
obliegen, die polizeilichen Pflichten (Anmeldungspflichten, Straßen-
reinigungspflicht usf.) — sie treffen juristische Personen in gleicher
Weise wie natürliche. Es sei ferner erinnert an die Übertragung
öffentlicher Verwaltungsaufgaben auf Korporationen des öffentlichen
Rechts (oben $$ 6 und 7). Die Grenze, von der an öffentliche
Rechte und Pflichten juristischen Personen unzugänglich sind,
wird von der Natur selbst gesetzt: alle Rechtsverhältnisse, die
an eine physische Individualität anknüpfen, bleiben juristischen
Personen versagt. Daher ist z. B. die Aktiengesellschaft nicht
pflichtig, Kirchensteuern zu entrichten, die von den Angehörigen
eines bestimmten religiösen Bekenntnisses erhoben werden.** Aus
juristischen Anschauungen geht aus Schultzenstein, Polizeiwidriges
Handeln und Vertretung (Verwaltungsarchiv XIV S. 1ff.).. Er vertritt
die Ansicht, der Vertretene sei allein der Beteiligte. Daher sei z. B. die
Exekutivstrafe gegen den Mündel, nicht gegen den Vormund auszu-
sprechen und zu vollstrecken. Das führt m. E. zu einer großen Ungerech-
tigkeit. Denn dem Mündel fehlt die rechtliche Möglichkeit, zu handeln
(die Steuer zu zahlen usf.). Trotzdem soll das Vermögen des Mündels
die Folgen für eine Handlung (Nichtbezahlung der Steuern) tragen, die
allein dem Vormund obliegt. Die Exekutivstrafe soll (vgl. unten $ 13)
den widerstrebenden Willen brechen. Wie kann sie dies Ziel erreichen, wenn
sie gar nicht die Person trifft, auf deren Willen eingewirkt werden soll?
#2 Vgl. auch Blüher, Zur Rechtsfähigkeit der juristischen Personen
(DJZ. XVI 1408). Kulisch, Österreich. Gewerberecht I? 8. 333.
#3 Reichsgesetz betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, vom
22. Juni 1899 $ 2.
4 Sofern nicht das Gesetz (Bayern, Königreich Sachsen, Baden usf.)
die juristischen Personen ausdrücklich zu Kirchensteuern heranzieht.
F. Giese, Deutsches Kirchensteuerrecht, 1910, S. 216, 393 ff., 424, 456,
544. (Kirchenrechtliche Abhandlungen, herausg. von Stutz, Heft 689 —71).