Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechte. 155 
gehalten. Er betrachtet das ganze Verhältnis vom Standpunkt des 
Untertans aus und verwendet demgemäß die Ausdrücke ‚öffentliche 
Rechte‘ und ‚öffentliche Pflichten‘ zur Bezeichnung der Ansprüche 
und Pflichten der Untertanen gegenüber der Staatsgewalt. 
I. Die öffentlichen Pflichten in dem soeben erwähnten 
Sinne beruhen entweder auf der allgemeinen Gehorsamspflicht 
der Untertanen oder auf besonderen Rechtstiteln. 
l. Die allgemeinen Untertanenpflichten (Wehrpflicht, Steu- 
erpflicht, polizeiliche Pflichten) hat jeder Bürger zu erfüllen, an den 
sich der Befehl der Gesetzes richtet.” Der Staat macht sich auf 
diese Weise die allgemeine Gehorsamspflicht der Bürger zu Nutze. 
2. Es gibt jedoch zahlreiche öffentliche Pflichten, die nicht 
diesem allgemeinen, sondern einem besonderen Gewalt- 
verhältnis entspringen.”? In ein besonderes Gewaltverhältnis 
begibt sich z. B. der Bürger, der Beamter wird oder in eine 
öffentliche Anstalt (Schule, Heer, Zuchthaus) eintritt oder 
als Brennereibesitzer usf. unter eine besondere Finanzkon- 
trolle gerät. Dienstgewalt,* Anstaltsgewalt, Überwachungsgewalt° 
® Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I S. 108—109. 
8 Laband, Staatsrecht, I® S. 433. Otto Mayer, Deutsches Ver- 
waltungsrecht1I S. 108, Note 13; S. 438ff.; II S. 234 ff., 309ff.,335ff., 432 bis 
433. Thoma, Polizeibefehl im Bad. Recht I S. 18—21. Paul Kahn, 
Das besondere Gewaltverhältnis im öffentlichen Recht, Heidelberger 
Diss. 1912. H. Nawiasky, Forderungs- u. Gewaltverhältnis 1913 (Fest- 
schrift f. Zitelmann). 
* Nicht bloß die Dienstgewalt über die Beamten fälltin Betracht. Auch 
die militärische Kommandogewalt ist eine besondere Dienstgewalt. 
Vgl. darüber die sorgfältigen Erörterungen von F. v. Marschall von 
Bieberstein, Verantwortlichkeit und Gegenzeichnung bei Anordnungen 
des obersten Kriegsherrn, 1911, S. 358ff., 374ff. Rehm, Oberbefehl u. 
Staatsrecht, 1913. — Eine besondere Disziplinargewalt über die versicherten 
Arbeiter besitzen ferner die Berufsgenossenschaften der Arbeiterver- 
sicherung. Reichsversicherungsordnung $$ 848, 851. 
5 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I S. 438ff. Interessante 
Beispiele für diese besondere Überwachungsgewalt liefert die neueste 
Steuergesetzgebung des Reichs. Die Inhaber von Betrieben, die sich mit 
der Herstellung von Zigaretten befassen, — die Inhaber von Brauerei- 
betrieben, von Brennereien, von Schaumweinfabriken, — die Inhaber von 
Betrieben zur Herstellung von Beleuchtungsmitteln und Zündwaren usw. 
stehen unter einer besonderen Steueraufsicht. Sie haben eine besondere 
Steuerkontrolle über sich ergehen zu lassen und dabei Pflichten (z.B. Hilfs-
	        
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