$ 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechte. 163
über den Behörden beschränken, daß sie die zu seinen Gunsten
erlassenen Gesetze vollziehen (Gesetzvollziehungsanspruch, In-
teressenbefriedigungsanspruch); oder aber ein bestimmtes Gesetz
kann jedem cinzelnen Bürger konkrete, genau abgegrenzte
Ansprüche auf die einzelnen im Gesetz ihm zugedachten Lei-
stungen zubilligen, so daß der damit Bedachte bei der Geltend-
machung der einzelnen Ansprüche der zur Gesetzesvollziehung
verpflichteten Behörde gegenübertritt wie der Gläubiger dem
Schuldner. Im ersten Fall enthalten die Gesetzesvorschriften
Normen bloß objektiven Rechtes; ihr Adressat ist die Behörde,
und dem Untertan kommt der materielle Erfolg der einzelnen
Rechtsvorschrift als eine Reflexwirkung der Gesetzesvollziehung
zu; man spricht hier ungenau von ‚Reflexrechten‘“.'” Im zweiten
Fall dagegen besitzt der Untertan subjektive öffentliche Rechte
auf bestimmte staatliche Leistungen.
Die beiden Formen sind jedoch nicht etwa Gesetzgebungs-
prinzipien, die sich ausschließen. Der Gesetzgeber entscheidet
frei darüber, ob er die Leistungspflicht der öffentlichen Ver-
waltung lediglich durch Erteilung von objektiven Rechtsbefehlen
an die Behörden oder durch Zuerkennung von subjektiven
Rechten an die Untertanen begründen will. Daraus erhellt, daß
dieselbe Forderung des Bürgers gegen die öffentliche Verwaltung
in dem einen Staate als subjektives öffentliches Recht kann
ausgestaltet sein, während sie in einemyandern Staat nur der
Reflex objektiven Rechtes ist.
Es hält nicht leicht, das bloß objektive Recht von den Nor-
men zu unterscheiden, welche subjektive Rechte begründen. Man
hat, um einen festen Punkt zu gewinnen, das ausschlaggebende
Merkmal in dem größern Rechtsschutz erblicken wollen, mit dem
das subjektive Recht ausgestattet sei, im Gegensatz zu der bloß
durch den allgemeinen Gesetzvollziehungsanspruch beschirmten
Forderung des Bürgers.” Allein ohne Grund.?! Beschwerde und
1% Jhering, in den Jahrbüchern für Dogmatik des heutigen gemeinen
Rechts X 8. 245. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte
S. 67. Über die Stufenleiter der Individualisierung vom „Interesse‘‘ bis zum
„subjektiven Recht‘: Merkel, Juristische Encyklopädie $$ 150 bis 159.
20 Jellinek, System;der, subjektiven öffentl. Rechte S. 101.
21 Vgl. dazu die eindringenden Erörterungen von Laband, im Archiv
f. öffentl. Recht XIX S. 614.
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