$ 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechte. 165
wesentliche Verstärkung. Denn für den Bürger macht es einen
Unterschied aus, ob das ihm zugedachte Stück Brot ihm
vom Gesetzgeber bereit gelegt worden ist, oder ob er es sich
von der Verwaltungsbehörde vom Laib muß zuschneiden
lassen. Diese Erwägung hat zur Aufstellung eines Katalogs
besonderer „Grundrechte“ in den einzelstaatlichen Verfassungs-
urkunden geführt.”® In der Folge hat dann die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit der Anerkennung subjektiver öffent-
licher Rechte weiteren Vorschub geleistet. Denn wenn es dem
Bürger gelingt, einen Anspruch zum subjektiven Recht zu
stempeln, so ist ihm nach den meisten Gesetzen der verwaltungs-
gerichtliche Schutz gesichert.”* Alle diese Momente haben die
Tendenz zur Anerkennung subjektiver Rechte gestärkt. Was
hat aber das subjektive Recht vor dem allgemeinen Gesetz-
vollziehungsanspruch voraus?
Durch das subjektive Recht wird der vom Gesetze gewollte
Erfolg in individualistischer Form herbeigeführt. Das Einzel-
interesse gibt den Ausschlag. Die Schranken, die das Gemein-
interesse dem Einzelrecht zieht, sind vom Gesetze selbst bei der
Zumessung des Rechtsinhaltes bereits berücksichtigt. Darum
kann der Gesetzgeber subjektive Rechte in allen den Fällen
nicht begründen, in denen er der mit der Gesetzesvollziehung
betrauten Behörde freie Hand lassen muß, die Ansprüche der
Bürger den wechselnden Bedürfnissen des Verkehrs, der finan-
ziellen Leistungsfähigkeit einer Verwaltungseinrichtung u. a. m.
anzupassen; denn hier muß die Behörde die Möglichkeit behalten,
die den Einzelnen zugesicherten Vorteile zu mindern, zu ent-
33%» E. Eckhardt, Die Grundrechte vom Wiener Kongreß bis zur
Gegenwart 1913 (Abhandlungen a. d. Staats- u. Verwaltungsrecht heraus-
gegeben von Brie u. Fleischmann, Heft 30).
% Deshalb, weil nach den meisten Verwaltungsgerichtsgesetzen zur
Klage an das Verwaltungsgericht nur der legitimiert erscheint, dessen
„Rechte“ verletzt worden sind. Das Bestreben, in möglichst weiten Gebieten
Rechtsschutz zu gewähren, hat z. B. die Praxis des Kgl. Sächs. Ober-
verwaltungsgerichts veranlaßt, sogar dem allgemeinen Anspruch der
Nachbarn des Bauenden auf Einhaltung beatimmter Bauvorschriften
den Charakter eines subjektiven Rechts zuzuerkennen. (Jahrbücher des
Kgl. Sächs. Oberverwaltungsgerichts IX 216; XV11 296.) S. oben S. 147. —
Dieselbe Tendenz in der Praxis des preuß. Oberverwaltungsgerichtes weist
Jebens, Verwaltungserechtliche Aufsätze $. 284ff., nach.