168 8 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechte.
Freiheitsrechte dar,d.h. Ansprüche der Bürger auf eine staatsgewalt-
freie Sphäre: Glaubens- und Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit,
Preßfreiheit, Vereinsfreiheit, Eigentumsfreiheit usw. Durch die
Gewährleistung derartiger Freiheitsrechte verleiht der Staat dem
einzelnen Bürger keine Befugnis, die er vorher nicht schon besessen
hätte. Denn die Möglichkeit, Vereine zu bilden, sich seinen
Glauben frei zu wählen, ein Gewerbe auszuüben usw. ist ein Aus-
fluß der natürlichen Handlungsfreiheit?? der Person; das Eigen-
tumsrecht aber steht dem Einzelnen kraft der staatlichen Privat-
rechtsordnung zu und ist ihm nicht durch die Verfassungsurkunde
verliehen. Den Gegenstand der Gewährleistung bildet somit die
Zusage, der Staat dürfe diese Rechte und Rechtsgüter des Indi-
viduums nicht beschränken. Das Freiheitsrecht gibt damit dem
Bürger einen Anspruch auf ein Nicht-Handeln der Staatsgewalt.’*
Diese Rechte enthalten daher nichts anderes, als eine Negation
der staatlichen Kompetenz: der Staat soll in die Individualsphäre
nicht eingreifen. Sie wiederholen somit für ihren Bereich den
Rechtsgrundsatz, den der Rechtsstaat in einer viel allgemeineren
Form aufgestellt hat, den Satz nämlich, daß Eingriffe in Freiheit
und Eigentum der Bürger der gesetzlichen Grundlage bedürfen.
Die Verfassungsurkunden haben eine besondere Garantie der
„individuellen Freiheitsrechte‘“‘ nur aus historischen Gründen aus-
gesprochen. Sie haben damit ausdrücklich hervorheben wollen,
daß die Beschränkungen, die der Bürger im Polizeistaat als be-
sonders drückend empfunden hatte, endgültig beseitigt seien.
Die Freiheitsrechte verstärken somit nach bestimmten Rich-
tungen die Rechtslage des einzelnen Bürgers gegenüber der
öffentlichen Gewalt. Dadurch haben sie aber den Charakter
von Individualrechten angenommen.?®
®® Aus diesem Grund sprechen viele Autoren den ‚individuellen
Freiheitsrechten‘‘ den Charakter von subjektiven Rechten ab. Laband,
Deutsches Reichsstaatsrecht, 6. Aufl., S. 46 und die dort zitierten Schrift-
steller. — Vgl. auch v. Tuhr, Allg. Teil d. Bürgerl. Rechts IS. 148ff., 319.
Vgl. auch unten $ 23; Anmerk. 7.
3 v.Laun, Freies Ermessen S. 96; Das Recht zum Gewerbebetriebe
S. 26.
35 Anschütz, Verfassungsurkunde f. d. Preußischen Staat I S. 96.
— Eine selbständige Bedeutung kommt dagegen der Gewährleistung