170 $ 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechten.
Rechts im einzelnen Falle absehen?”, sofern sein Recht nicht die
Kehrseite einer Pflicht ist,*® oder das Gesetz ausdrücklich auch
diese Form des Verzichts ausgeschlossen hat.°®
können jedoch für bestimmte Fälle den Verzicht als zulässig erklären.
Vgl. z. B. über den Thronverzicht: Paul Abraham, Der Thronverzicht
nach Deutschem Staatsrecht, 1906. Hans v. Frisch, Der Thronverzicht,
1906 (und zu beiden Arbeiten die Kritik von Laband im Archiv für
öffentl. Recht XX1I 301). Abweichend die Auffassung von Kormann,
Die ministerielle Gegenzeichnung bei dem sog. Thronverzicht (Grünhuts
Zeitschr. f. d. Privat- u. öffentl. Recht, XXXVIII, 1911, S. 91ff.).
83”? Das gilt insbesondere auch von der Geltendmachung der natür-
lichen Handlungsfähigkeit. Vgl. darüber oben S. 158.
88 So ist das Wählen eine staatliche Funktion (Bildung eines Staats-
organs). Das ‚Wahlrecht‘ ist daher in erster Linie eine Wahlpflicht.
Als subjektives Recht erscheint das Wählen nur darum, weil es dem
Wahlberechtigten die Möglichkeit verschafft, durch die Erfüllung der
Wahlpflicht einen Einfluß auf die Staatsgewalt auszuüben; dadurch wird der
Wahlberechtigte vor den übrigen Staatsgenossen ausgezeichnet. Triepel,
Wahlrecht und Wahlpflicht, 1900. Jellinek, Allg. Staatslehre, 3. Aufl.,
9. 422. Esmein, El&öments de Droit constitutionnel, 5 &d., 1909, p. 252.
Spira, Die Wahlpflicht, 1909.
39 Vgl. z. B. Reichsgesetz betr. die Gewährung einer Entschädigung
an die Mitglieder des Reichstags, vom 21. Mai 1906 $ 8: „Ein Verzicht
auf die Aufwandsentschädigung ist unzulässig. Der Anspruch auf
Aufwandsentschädigung ist nicht übertragbar.‘‘ Ebenso erklärt die
preußische Verfassungsurkunde in Art. 85 einen Verzicht auf die Abgeord-
netendiäten für unstatthaft. — Die Möglichkeit zum Verzicht hört auf,
sobald die Willenserklärung des Privaten über die Privatsphäre hin-
aus auf Einrichtungen des Staates wirkt, die der Gesetzgeber durch
zwingende Rechtsvorschriften geordnet hat. Ein anschauliches Beispiel
bildet das Recht der religiösen Kindererziehung. Die Befugnis, über
die Konfession eines Kindes aus gemischter Ehe einen Vertrag abzu-
schließen, besteht in denjenigen Staaten für den Vater nicht, in welchen
der Gesetzgeber den Besitzstand der Konfessionen durch Sätze des ius cogens
abgegrenzt, also beispielsweise bestimmt hat, daß alle Kinder der Konfession
des Vaters folgen sollen. Friedberg, Kirchenrecht, 6. Aufl., 1909, S. 286.
W. Güttler, Die religiöse Kindererziehung im Deutschen Reich, 1908,
g. 69 ff., 294.