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in der Verwaltung in der Tat eine große Rolle. Der Verwaltung
eigentümlich ist es aber nicht.’ Denn dem Richter überträgt das
Gesetz in gleicher Weise nicht selten die Aufgabe, innerhalb
eines bestimmten Rahmens sein freies Ermessen walten zu lassen,
z. B. eine Schadenersatzsumme nach selbständiger Würdigung
aller in Betracht fallenden Momente zu bemessen.’° Es ist der
Gegensatz von freier und gebundener Tätigkeit, der hier in die
Erscheinung tritt. Der Verwaltungsbeamte, der das Gesetz voll-
zieht, nimmt somit keine andere Tätigkeit vor, als der Richter,
der nach Maßgabe des Gesetzes Recht spricht.
Aber — und darin liegt der Unterschied zwischen Justiz und
Verwaltung — für die Justiz ist die Anwendung des Rechts
Selbstzweck, für die Verwaltung nur Mittel zum Zweck. Die
Justiz hat durch ihre Urteile festzustellen, was nach dem gelten-
den Gesetze Rechtens ist, unbekümmert darum, welche Folgen
daraus für den Staat und die Betroffenen entstehen. Die
Verwaltung dagegen hat das Gemeinwohl zu fördern, Nütz-
liches zu schaffen. Der Verwaltung Lebenselement ist das
Handeln, das aktive Eingreifen, das unmittelbare Herbeiführen
eines bestimmten materiellen Erfolges. Ihre Richtschnur ist
die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit. Insofern kann man die
Verwaltung die ‚„handelnde Staatsgewalt‘‘ nennen, im Gegen-
satz zur Gesetzgebung und Rechtsprechung, die sich in der Er-
klärung von Willensentschlüssen erschöpfen. Aber ihre ganze
Tätigkeit vermag die Verwaltung nur innerhalb der Rechts-
ordnung zu entfalten. Vom Rechte werden ihrem Handeln die
Schranken aufgerichtet. Die Verwaltung wendet jedoch das
Recht nicht an, in der Absicht, ihm um seiner selbst willen zu
dienen und seinen Sätzen zum Siege zu verhelfen, sondern um
unter dem Schutz des Rechts einen bestimmten, außerhalb der
Rechtsverwirklichung liegenden materiellen Erfolg zu erreichen.
Nach seinen Zielen beurteilt ist der Verwaltungsbeamte nicht
Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern
desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei.“
° Jellinek, Allg. Staatslehre? S. 616 fg.
10 Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts I 2 S. 725. F.
Stier-Somlo, Das freie Ermessen in Rechtsprechung und Verwaltung
(Staatsrechtliche Abhandlungen, Festgabe für Laband, II S. 445ff.).