Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte. 189 
Behörde kann ihm nicht die Einrede der abgeurteilten Sache 
(res judicata) entgegenhalten.** So darf z. B. die Behörde nicht 
verlangen, daß ein Bewerber, der ein erstes Mal mit einem Gesuch 
um Erteilung einer behördlichen Erlaubnis oder Konzession (bau- 
oder gewerbepolizeiliche Erlaubnis, Konzession zur Errichtung 
eines Stauwehrs) abgewiesen worden ist, sein Begehren erst 
nach Ablauf einer bestimmten Zeit oder bei Veränderung der 
Verhältnisse wiederhole.*> 
Die Behörde darf von ihrer Befugnis, eine von ihr erlassene 
Verfügung zurückzunehmen oder abzuändern, nur Gebrauch 
machen, wenn das öffentliche Interesse dies gebietet.** Die 
Behörde soll nicht leichthin bestehende Verhältnisse stören, die 
sich auf Grund ihrer Verfügungen herausgebildet haben;*’ sie 
4 Beispiele: Der Ziegeleibesitzer verlangt, nachdem er sein Unter- 
nehmen mehrere Jahre betrieben hat, von der Behörde, daß sie aus der 
von ihr erteilten gewerbepolizeilichen Erlaubnis die Bedingung streiche, 
der Betrieb seines Ringofens sei jedes Jahr vom 15. Juni bis 15. OK- 
tober vollständig einzustellen. Die Behörde hat das Gesuch materiell 
neu zu prüfen. Sie darf den Petenten nicht zurückweisen mit der Be- 
hauptung, die gewerbepolizeiliche Erlaubnis sei materiell rechtskräftig 
geworden. Reger XXVIII S. 173. Der gleiche Grundsatz gilt selbst- 
verständlich auch für die Erledigung der Gesuche um Erteilung von 
Wirtschaftskonzessionen, um Erteilung eines Führerscheins (Kraftfahr- 
zeuge) u. dgl.; ist der Gesuchsteller ein erstes Mal abgewiesen worden, 
so darf sich die Behörde der sachlichen Prüfung eines von ihm zum 
zweitenmal gestellten Gesuchs nicht entziehen durch den Hinweis auf 
die res judicata. Landmann, Kommentar zur GewO. I® S. 204. Preuß. 
OVG 14. März 1912 (Preuß. VerwBl. XXXIV 117). Die Behörde darf 
auch nicht etwa abweisen unter Berufung auf die formelle Rechtskraft. 
(Unrichtig: Urteil des Kgl. Sächs. OVG. vom 16. März 1901, Jahrbücher 
des Kgl. Sächs. OVG. I S. 26.) 
45 Anderer Ansicht: Entscheidungen des braunschweigischen Ver- 
waltungsgerichtshofs vom 19. September 1906 (Reger XXVII 8. 184) 
und Entscheidung des Kgl. Sächs. Ministeriums des Innern vom 4. Okt. 
1906 (Reger XXVII 8. 187). 
«4 Kormann, Rechtsgeschäftl. Staatsakte S. 334ff. Entscheidungen 
des Preuß. OVG Bd. 57, S. 495. Mehr Freiheit nach dieser Richtung 
besitzt die Behörde auch nicht gegenüber den Verfügungen, auf deren 
Gewährung der Bürger keinen Rechtsanspruch besessen hat (Erlaubnis 
auf gesteigerten Gemeingebrauch der Straße usw.). Preuß. OVG. 20. März 
1911 (Preuß. Verw. Bl. XXXII 566). 
47 Die Behörden haben jahrzehntelang die Erstreckung eines Wirt- 
schaftsbetriebs auf eine Nachbarliegenschaft als zu Recht bestehend aner-
	        
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