Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte. 199 
Die dargestellte Bevorzugung der Ungültigkeitserklärung vor 
der ipso iure eintretenden Nichtigkeit rechtfertigt sich durch 
Verkehrsrücksichten. Die Rechtssicherheit wäre gefährdet, 
stünde jeder Behörde und jedem Bürger die Befugnis zu, einen 
der äußeren Erscheinung nach gesetzmäßigen Staatsakt als nicht 
vorhanden zu betrachten. 
2. Ist im Verwaltungsrechte neben dem einseitigen Rechts- 
geschäft, der Verfügung, noch Raum für das zweiseitige, den 
öffentlichrechtlichen Vertrag?”! 
Die Erfahrung lehrt, daß Gemeinden, Kommunalverbände 
und die ihnen gleichstehenden Organisationen sehr häufig über 
Verwaltungsaufgaben, die ihnen vom Staat zu gemeinsamer 
Besorgung übertragen sind oder über die sie gemäß ihrer Selbst- 
verwaltung frei verfügen, mit gesetzlicher Ermächtigung oder kraft 
Reichs- und Staatsangehörigkeit, 3. Aufl. 1908, S. 78; Laband, Staats- 
recht I5 S. 170. In gleichem Sinn die weiteren Urteile des Preuß. OVG. 
vom 1. Juni 1894 und 24. September 1909 (Entscheidungen Bd. 27, S. 410; 
Bd. 55, 8. 235). In Übereinstimmung dagegen mit der im Text ver- 
tretenen Auffassung, wenn auch mit teilweise andrer Begründung: Otto 
Mayer, Bd. II S. 469 und Walter Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt, 
S. 168ff.e. Kormann, Rechtsgeschäftliche Staatsakte S. 227, 367. Der 
Schweizerische Bundesrat hat bei analoger Rechtslage derartige Natura- 
lisationen mit Recht für ungültig erklärt. v. Salis, Schweizerisches 
Bundesrecht, 2. Aufl., Bd. II Nr. 472. Der Gesetzgeber ist bei der Ge- 
setzesrevision der Ansicht des Bundesrats gefolgt. Vgl. darüber Fleiner, 
Zeitschrift für Schweizerisches Recht n. F., Bd. XXIII S. 426. 
”ı Von den Verträgen, welche die Verwaltungsbehörde bei der Besorgung 
zahlreicher Verwaltungsaufgaben über zivilrechtliche Verhältnisse abschließt 
(Vertrag mit einem Bauunternehmer betr. Errichtung einer Straße usf.), ist 
hier nicht die Rede. Daß sie vom deutschen Verwaltungsrecht (im 
Gegensatz zum französischen Verwaltungsrecht) als gewöhnliche privat- 
rechtliche Verträge behandelt werden, wurde oben Anmk. 34 erörtert. 
S.auch Preuß. Verw.Bl.XX XIII 242. Ein verbreiteterSprachgebrauch faßt 
alle Verträge (öffentlichrechtliche und privatrechtliche), welche die öffent- 
liche Verwaltung abschließt, unter dem Titel ‚„Verwaltungsverträge‘‘ zu- 
sammen. v. Stengel, Art. „Vertrag‘‘ im Wörterbuch d. Deutschen Ver- 
waltungsrechts II (1. Aufl.) S. 701. Bresiewicz, Art. „Verwaltungsrecht- 
liche Übereinkommen“ im Österreichischen Staatswörterbuch IV? S. 770 
Grosch, Der Staat als Kontrahent (Jahrbuch des öffentlichen Rechts 
V 267). Hausmeister, Der Abschluß verpflichtender Verträge durch 
Gemeinden (Preuß. VerwBl. XXXIV 872). Fromm im Preuß. VerwBl. 
XXXV 46.
	        
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