$ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte. 201
Staat und seinen Untertanen. Die gemeine Meinung erblickt
im Vertrag eine Form des Privatrechts;’”* der Vertrag, so
wird behauptet, sei ein ‚Privatrechtstitel“. Er sei nur zwi-
schen Gleichgeordneten möglich; eine Gleichordnung bestehe
aber niemals zwischen dem Herrscher und dem Untertan.
So äußerlich darf jedoch das Problem nicht aufgefaßt
werden. Wir preisen es als eine Errungenschaft des Rechts-
staates, daß die Verwaltung selbst Untertan des Gesetzes ge-
worden ist, und wir sind stolz darauf, daß der Staat die von ihm
durch einseitige Verfügung begründeten öffentlichen Rechte der
Untertanen gegen sich gelten lassen muß. Weshalb soll der
Herrscher Staat an ein vertraglich gegebenes Versprechen dem
Untertan gegenüber weniger gebunden sein?’® Dem Herrscher
Staat fehlt somit nicht die passive Vertragsfähigkeit, die Ver-
pflichtbarkeit. Wenn der Vertrag trotzdem im modernen Ver-
waltungsrecht eine wesentlich geringere Rolle spielt, als die Ver-
fügung, so liegt die Ursache in einem Moment, das bereits be-
zeichnet worden ist. Von Vertrag kann nur dort die Rede sein,
wo auf die Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses der Wille
einer jeden Partei einen gleichen rechtlichen Einfluß besitzt.
Das trifft, wie wir oben $ 4 nachgewiesen haben, bei den Ver-
hältnissen des öffentlichen Rechtes im allgemeinen nicht zu.
Denn diese werden einseitig durch den Willen des Staates ge-
ordnet.” Die meisten der von der Praxis als öffentlich-
”4* Die Zivilgerichte neigen infolgedessen der Ansicht zu, Streitig-
keiten aus einem Vertrag gehörten per se auf den Rechtsweg. Kamptz
und Delius, Rechtsprechung des Reichs- und Kammergerichts auf den
Gebieten des öffentlichen Rechts, Bd. I S. 215 Nr. 10. Über die ver-
schiedenen Ansichten der Praxis: Stölzel, Rechtsweg und Kompetenz-
konflikt, S. 47, 111.
75 Auch wenn man der Ansicht von Laband nicht beipflichtet,
(oben S. 184), das Beamtenverhältnis werde durch Vertrag begründet, so
muß man Labands allgemeiner Erörterung zustimmen, daß der Vertrag
auch eine Form des öffentlichen Rechts ist.
76 Daher behauptet Otto Mayer, Zur Lehre vom öffentlichrecht-
lichen Vertrag (Archiv für öffentliches Recht, Bd. III S. 1ff.), der Vertrag
im eigentlichen Sinne sei im Verwaltungsrecht unanwendbar; was man
„Verträge‘‘ nenne, seien in Wahrheit Verwaltungrakte, die nur mit Zu-
stimmung des Betroffenen erfolgen könnten; oben S. 184. Im selben
Sinn Kormann, Rechtsgeschäftliche Staatsakte S. 38—39.