$ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit. 229
hafter begann sich dort die Literatur mit der Frage nach
der Ausbildung besonderer Rechtsschutzgarantien zu beschäf-
tigen. Es läßt sich nicht verkennen, daß, wie auf die Ausbildung
der übrigen politischen Theorien Deutschlands, so auch auf diese
Diskussion das Beispiel Frankreichs einwirkte. Frankreich hatte
bei der Aufrichtung seiner neuen Verwaltungsorganisation im
Jahre 1801 die aus dem Ancien regime überlieferte Kontrolle der
Justiz über die Verwaltung dadurch definitiv ausgeschaltet, daß
der Gesetzgeber in der Verwaltung selbst besondere Rechts-
schutzbehörden einsetzte (die conseils de prefecture und den
Conseil d’Etat)* und diesen die Beurteilung von Streitigkeiten
zwischen der öffentlichen Verwaltung und den Untertanen über-
trug (‚le contentieux administratif‘‘).
In Deutschland hatte die Bewegung für Einführung einer be-
sonderen Verwaltungsrechtspflege zunächst den Einwand zu
überwinden, man bedürfe in den sog. administrativ-kontentiösen
Sachen eines vermehrten Rechtsschutzes überhaupt nicht; die
Verwaltungsbehörden wendeten, da sie an den ihnen übertragenen
Sachen persönlich unbeteiligt seien, das Verwaltungsrecht mit
derselben Unparteilichkeit an, wie Gerichte.® Es hielt nicht
schwer, diesen Einwand zu entkräften und die Notwendigkeit
einer gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung mit den Erfahrungen
des täglichen Lebens zu begründen. Als selbstverständlich galt
ferner, daß ein voller Rechtschutz nur durch unabhängige Ge-
4 Dareste, La justice administrative en France, 2 @d., 1898. La-
ferriöre, Trait6 de la juridiction administrative, 2 &d. 1896. Hauriou,
Droit administratif,” p. 931. Otto Mayer, Theorie des franz Verwaltungs-
rechts, S. 87ff. Salandra, Giustizia amministrativa, p. 96. Berthe6-
lemy, Droit administratif” p. 916. F. Wodtke, Der recours pour ex-
cös de pouvoir, 1912 (Abhandlungen a.d. Staats-, Verwaltungs- u. Völker-
recht, herausg. von Zorn u. Stier-Somlo XI Heft 3).
5 G.L. Funke, Die Verwaltung in ihrem Verhältnis zur Justiz, 1838,
S. 124ff, führt aus, der Verwaltungsbeamte sei nicht Richter in eigener
Sache. Durch Einführung eines Instanzenzugs innerhalb der Verwaltung
werde dem Rechtsschutzbedürfnis ausreichend genügt. Im selben Sinn
W.J. Behr, Die Verfassung und Verwaltung des Staates, 1812, S. 5+ff.
Hierher zu zählen ist auch C.v. Pfizer, Über die Grenzen zwischen Ver-
waltungs- und Ziviljustiz, 1828. Pfizer will (S. 204) die Beurteilung der
Verwaltungsstreitsachen einer gemischten Stelle übertragen, „welche aus
Mitgliedern der Departements der Justiz, des Innern und der Finanzen
zusammengesetzt ist“.