$ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit. 231
Justiz‘ auf die Zivilgerichte befürwortete.'! Nur in wenigen deut-
schen Ländern wurde jedoch dieses Ideal des ‚Justizstaats‘‘ ver-
wirklicht. Mit besonderer Entschiedenheit gelang diesin den Hansa-
städten, in denen bis heute in weitem Umfange die Nachprüfung
der Rechtsgrenzen der Verwaltung Justizsache geblieben ist .'?
12 Hauptvertreter dieser Ansicht: Otto Bähr, Der Rechtsstaat,
1864. Weitere Vertreter sind aufgezählt bei Georg Meyer- Anschütz,
Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, $ 182, Anm. 8. Vgl. über den
Zusammenhang dieser ganzen Richtung mit dem politischen Liberalis-
mus Thoma in der Ztsch. f. Politik VI 240.
12 In Hamburg hatte schon ein Gesetz vom 12. August 1859 und
sodann die Verfassung vom 28. September 1866 Art. 96 den ordent-
lichen Gerichten die Aufgabe übertragen, „über alle Rechtsverletzungen
zu entscheiden‘. Das geltende hamburgische Gesetz betr. das Verhältnis
der Verwaltung zur Rechtspflege vom 23. April 1879 (Verhältnisgesetz)
wiederholt den Grundsatz, $ 24 Abs. 2: „Außerdem kann wegen Ver-
letzung von Privatrechten durch Verfügungen oder Maßregeln von Ver-
waltungsbehörden, welche nicht unter die Bestimmungen des 1. und
2. Abschnitts fallen, gegen die betreffende Verwaltungsbehörde Klage
vor den Gerichten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen erhoben
werden.“ $ 29: „Die Klage kann auf Abhülfe oder auf Entschädigung
oder auf Beides gerichtet werden‘‘. (Beispiele für diese Praxis: DJZ. XV 78;
Jahrbuch des Verwaltungsarechts V 2, S. 337). Eine der hamburgischen
Vorschrift analoge Bestimmung enthält die Verfassung Bremens vom
1. Januar 1894 $ 15 (Beispiele: Spruchsammlung der DJZ. 1911, S. 148;
Jahrbuch des Verwaltungsrechts V 2, S. 335, VI 2, S. 326). Damit über-
einstimmend die Gesetzgebung Lübecks: Stein, Justiz und Verwal-
tung 8. 10—11. Über den i. J. 1910 veröffentlichten Entwurf eines Ver-
waltungsgerichtsgesetzes für Hamburg: Hartmann DJ7Z. XVI 133.
Seweloh, im Archiv des öffentl. Rechts XXIX 1, 19. — Auch die Gesetz-
gebung Italiens hatte das Problem zunächst in justizstaatlichem Sinne ge-
löst: Sie hatte (1865) die ordentlichen Gerichte für zuständig erklärt, über alle
Verletzungen bürgerlicher oder politischer Individualrechte zu befinden und
zwar auch solcher Verletzungen, welche von Verwaltungsbehörden begangen
worden sind. Doch ist das Prinzip zu Gunsten der Verwaltungsbehör-
den durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen worden. Für die Beurtei-
lung dieser den Verwaltungsbehörden verbliebenen Verwaltungsstreit-
sachen hat die Gesetzgebung in der Folge (zuletzt namentlich im Jahre
1890) nach französischem Vorbild besondere Kollegialorgane innerhalb
der Verwaltung selbst (Giunta provinciale) geschaffen und über diesen
als Kassationsinstanz im Staatsrat des Königreichs eine besondere Ab-
teilung (quarta sezione del Consiglio di Stato) errichtet. Orlando,
L’ordinamento della giustizia amministrativa in Italia (Trattato completo
di diritto amministrativo italiano, vol.III). Salandra, Giustizia ammi-