244 $ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Maße hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß der Schutz
der objektiven Rechtsordnung ein ebenso wichtiges Anliegen der
Verwaltungsrechtsprechung sein muß. Dieser Gedanke hat
praktische Gestalt gewonnen in der Zulassung eines Vertreters
des öffentlichen Interesses im verwaltungsgerichtlichen Ver-
fahren, in der Anerkennung von Popularklagen (vgl. unten S. 253)
und endlich (im Rahmen der nach der Enumerationsmethode an-
gelegten Gesetze) in der ausdrücklichen Erstreckung der ver-
waltungsgerichtlichen Zuständigkeit auf den Schutz von Rechts-
normen, die keine subjektiven Rechte der Bürger begründen.
4. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bricht an dem
Punkte ab, an dem das freie Ermessen der Verwaltungsbehör-
den beginnt. Man faßt diesen Gedanken in der bekannten Formel
zusammen, Ermessensfragen unterstünden nicht der Zuständig-
keit der Verwaltungsgerichte; das freie Ermessen der Verwal-
tungsbehörden sei unüberprüfbar. Die Gesetze Bayerns, Würt-
tembergs und Badens haben dies ausdrücklich hervorgehoben ;* in
gleichem Sinne sind aber auch die Verwaltungsgerichtsgesetze der
Staaten auszulegen, die eine entsprechende Vorschrift nicht ent-
halten, wohl aber den Satz aufstellen, die Verwaltungsgerichte
seien auf eine Prüfung darüber beschränkt, ob ein angefochtener
Verwaltungsakt das bestehende Recht nicht oder nicht richtig
angewendet habe.?? Denn das Verwaltungsgericht ist seinem
waltungsgerichtsgesetz, Art. 8, 8. oben Anm. 38. Reger-Dyroff, Bayr.
Verwaltungsgerichtsgesetz, 4. Aufl., S.193ff. Braunschweig. Gesetz, betr.
die Verwaltungsrechtspflege, $9. O. Bühler, Die subjektiven öffentl.
Rechte u. ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1913.
“4 Vgl. z. B. Preuß. Zuständigkeitsgesetz vom 1. Aug. 1883, $ 15, 17.
Parey, Rechtsgrundsätze des Preuß. Oberverwaltungsgerichts, 4. Aufl.,
II S. 1251, Nr. 292.
#2 Für Württemberg vgl. oben Anm. 36, Bayrisches Verwaltungs-
gerichtsgesetz, Art. 13: „Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs
erstreckt sich nicht .... 3. auf Angelegenheiten und Fragen, in welchen
die Verwaltungsbehörden nach ihrem Ermessen zu verfügen berechtigt
sind... .“ Baden, Verwaltungsrechtspflegegesetz, $ 4, Absatz 4.
#3 Dies bestimmt vor allem das Verwaltungsrechtspflegegesetz für
das Königr. Sachsen, $ 76. Vgl. dazu Wachler und Naundorff, Rechts-
srundsätze des Kgl. Süchs. OVG. I S. 64 Nr. 36. Apelt, K. Sächs. Ver-
waltungsrechtspflegegesetz, 2. Aufl.,S.279ff. Über Preußen s.oben Anm.40.
— Über die Lehre von dem „unüberprüfbaren Ermessen‘ der Ver-
waltungsbehörden s. die Literaturangaben oben 8.132, Anm.], ferner