$ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Zuerkennung der materiellen Rechtskraft an die zivilgerichtlichen
Urteile eine, gewissen Zweckmäßigkeitsrücksichten entsprungene
Maßnahme der positiven Gesetzgebung darstellt. Sie ist dazu
bestimmt, die Gerichte vor einer wiederholten Behelligung mit
derselben Streitsache zu schützen und dient insofern der Kraft-
ersparnis. Weiter aber verfolgt sie ein Interesse der Rechts-
sicherheit: das einmal Entschiedene soll nicht nochmals Gegen-
stand prozessualer Verhandlung werden dürfen. Die Wirkung
der materiellen Rechtskraft ist eine rein prozessuale: was das
gerichtliche Urteil entschieden hat, ist für Gericht und Parteien
für alle Zukunft unbestreitbar geworden. Das Verhältnis der
Parteien zueinander gilt über das abgeschlossene Verfahren hin-
aus als dauernd geordnet, dergestalt, daß ein Zurückgehen auf
die materielle Sach- und Rechtslage ausgeschlossen ist. Das
Zivilprozeßrecht geht somit von der stillschweigenden Voraus-
setzung aus, das vom Richter zu beurteilende streitige Privat-
rechtsverhältnis fuße auf einem ein für allemal gegebenen un-
wandelbaren Tatbestand. Damit aber erlange sein Inhalt selbst
Unwandelbarkeit. Darum sei es dem Richter möglich, mit Bezug
auf jedes streitige Verhältnis autoritativ zu erklären, was dauernd
dafür Rechtens sei. Stellt sich das als Rechtswahrheit Erklärte
hinterher auch als irrig heraus, so bleibt es trotzdem bestehen.
Denn für das öffentliche Wohl wiegt die Erwägung, daß jeder
Streit zwischen Privatpersonen ein Ende haben muß, schwerer,
als die Sorge für eine richtige Entscheidung.
Für die Mehrzahl der Verwaltungsstreitsachen treffen die
soeben genannten Voraussetzungen nicht zu. Die äußeren Um-
stände, unter denen sich die einzelne rechtliche Beziehung
zwischen dem Untertan und der öffentlichen Verwaltung ent-
wickelt, ändern sich fortwährend, und die Anschauungen über
das, was das Gesetz zu Gunsten der öffentlichen Interessen
verlangt, sind dem Wandel unterworfen. Die Verwaltungs-
zu den Ausführungen des Textes über das Wesen der Rechtskraft ins-
besondere zu vergleichen: Unger, Österreichisches Privatrecht II $ 132.
K. Hellwig, Wesen und subjektive Grenzen der Rechtskraft, 1901, S. 121i.
System d. Deutschen Zivilprozeßrechts S. 767ff. Richard Schmidt,
Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. 1906, S. 744ff. Über
das italienische Recht: S. Trentin, La cosa giudicata nelle decisioni
delle Sezioni giurisdizionali del Consiglio di Stato, 1910.