$ 17. Öffentlichrechtliche Entschädigung. 277
Dem Gesetz im formellen Sinn steht auch nach dieser Richtung
die Rechtsverordnung gleich.'! Für die Entscheidung des Gesetz-
gebers über Gewährung oder Versagung der Entschädigung sind
naturgemäß in erster Linie Erwägungen der Billigkeit maßgebend;
regelmäßig fällt ferner in Betracht, wie der Gesetzgeber vom
ethischen Standpunkt aus die Privattätigkeit würdigt, in die er ein-
greift. Bei der Aufhebung der Privatpostanstalten hat der Reichs-
gesetzgeber den beteiligten Gewerbetreibenden Schadenersatz zu-
gesprochen, während er den Fabrikanten, die von dem Phosphor-
verbote betroffen worden sind, Schadenersatz versagt hat.'?
gabe, Beschwerden (staatsrechtliche Rekurse) betreffend Verletzung solcher
verfassungsmäßiger Rechte der Bürger zu beurteilen (Bundesverfassung,
Art. 113, Ziff. 3). W. Burckhardt, Kommentar der Schweiz. Bundes-
verfassung, 1906, S. 856ff. E. Curti, Entscheidungen des Schweiz. Bundes-
gerichts in abgekürzter Fassung, Bd. I S.405ff. Daher ist es auch Auf-
gabe des Bundesgerichte, auf Grund der verfassungsmäßigen Eigentums-
garantie zu prüfen, ob derkantonale Gesetzgeber eine Aufhebung von Privat-
rechten im öffentlichen Interesse nur gegen Entschädigung vornehmen kann.
Vgl. Erich Vogt, Rechtmäßige Eingriffe des Staats in subjektive Privat-
rechte nach der Praxis des Schweiz. Bundesgerichte, 1910 (Züricher Bei-
träge zur Rechtswissenschaft, Heft 26).
11 Entsch. des Reichsger. in Zivilsachen, Bd. 45, S. 268; Bd. 60, S. 328.
H. Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preußen S. 148.
12 Reichsgesetz, betr. einige Änderungen von Bestimmungen über
das Postwesen, vom 20. Dez. 1899, Art. 3—5. Reichsgesetz, betr. Phos-
phorzündwaren, vom 10. Mai 1903. Über einen analogen Vorgang in der
Schweiz, 8. Schweiz. Bundesblatt 1900 IV S. 565. Vgl. auch das Reichs-
gesetz wegen Änderung des Tabaksteuergesetzes, vom 5. Juli 1909, Art. Ila:
„Die mehr als ein Jahr im Tabakgewerbe beschäftigt gewesenen Haus-
gewerbetreibenden und Arbeiter, welche nachgewiesenermaßen infolge
dieses Gesetzes innerhalb des ersten Jahres nach dessen Inkrafttreten
entweder vorübergehend oder für längere Zeit arbeitslos werden, ohne
anderweit entsprechende Beschäftigung zu finden, oder wegen notwendig
gewordenen Berufswechsels oder wegen Einschränkung des Betriebs ge-
schädigt werden, erhalten Unterstützungen bis zu einem Zeitraume von
zwei Jahren. Zu diesem Zwecke werden den Einzelstaaten die erforder-
lichen Mittel bis zum Gesamtbetrage von 4 Mill. Mark, dem festgestellten
Bedürfnis entsprechend, überwiesen.‘‘ Siehe ferner Reichszuwachssteuer-
gesetz vom 14. Februar 1911, $ 60 In ähnlicher Weise spricht das
Schweizerische Bundesgesetz, betr. das Absinthverbot, vom 24. Juni 1910,
Art. 4, den Unternehmern, Angestellten und Arbeitern der Berufskreise,
die durch das Verbot unmittelbar empfindlich geschädigt werden. ‚aus
Billigkeitsgründen“ teilweise Entschädigung zu. Über die durch die