288 $ 17. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
schädigte Untertan gehe leer aus. Denn wenn es auch einen allge-
meinen gewohnheitsrechtlichen Satz über die öffentlichrechtliche
Entschädigung nicht gibt, so ist doch in allen deutschen Staaten
bei gewissen Arten von staatlichen Eingriffen die Vorstellung,
die staatliche Entschädigungspflicht entspreche der Gerechtig-
keit. so allgemein geworden, daß sie sich zu einer festen Rechts-
überzeugung verdichtet hat. Diese hat dabei regelmäßig nur
den durch den staatlichen Eingriff verursachten Schaden be-
rücksichtigt und hat nicht unterschieden, ob dieser Schaden
durch eine Vernichtung oder Beschränkung von subjektiven
(privaten oder öffentlichen) Rechten des Individuums oder von
bloß tatsächlichen Vorteilen (Vorteil der Lage eines Hauses usf.)
veranlaßt worden ist.”” Wenn die Gerichte auf derartige feste
und seit langem eingewurzelte Rechtsüberzeugungen gestoßen
sind, haben sie diese mit Hilfe überlieferter Formeln zu
rechtfertigen versucht, und so hat auch das bequeme Dogma
von der Unverletzlichkeit ‚wohlerworbener Rechte‘ sein Leben
weiter gefristtet. So haben die Gerichte nicht selten, um
die Schadenersatzpflicht aus ihnen vertrauten Anschauungen
heraus zu begründen, ihre Zuflucht zu der Behauptung ge-
nommen, das durch den staatlichen Eingriff geschädigte Recht
des Individuums habe auf einem zwischen der öffentlichen Ver-
waltung und dem Privaten geschlossenen Vertrag beruht, der
staatliche Eingriff stelle somit eine zu Schadenersatz verpflich-
tende Vertragsverletzung dar. Auf diese Weise hat die Recht-
sprechung in der Rheinprovinz und im Gebiet des Allgemeinen
Landrechts, um bei der Verlegung von Ortsstraßen die von der
allgemeinen Rechtsüberzeugung geforderte Entschädigungspflicht
der Gemeinden zu beweisen, zu der Theorie gegriffen, es sei
zwischen dem Straßenanlieger und der Gemeinde durch still-
schweigenden Vertrag ein besonderes servitutarisches Anlieger-
32 v.Tuhr, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts Bd. I S. 156, 319, 320. —
Eine Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts liegt vor, wenn
die Verwaltungsbehörde von dem Eisenbahnkonzessionär im öffentlichen
Interesse Leistungen verlangt, die nicht in den Konzessionen vorgesehen
sind; die Praxis läßt in solchen Fällen einen Entschädigungsanspruch zu
(vgl. unten $ 19). Über einen analogen Fall, nämlich die Entschä-
dixung wegen Verkürzung des Beamtengehalts: Entscheidungen des
Schweiz. Bundesgerichts XVI (1890) S. 435.