$ 17. Öffentlichrechtliche Entschädigung. 293
Schutz gegen eine Überspannung des öffentlichen Interesses
haben einzelne Gesetzgebungen (z. B. in Bayern) durch Auf-
stellung eines allgemeinen Kataloges der Expropriationsfälle zu
erreichen versucht. Dadurch ist jedoch die Bewegungsfreiheit
der Verwaltung wesentlich erschwert worden. Andere Staaten
(Hamburg, Lübeck, Bremen) verlangen für jeden Fall der Zwangs-
enteignung ein Spezialgesetz. Die meisten deutschen Landes-
gesetze dagegen behalten im Allgemeinen die Entscheidung über
die Zulässigkeit der Expropriation einer von Fall zu Fall zu er-
lassenden besonderen Verfügung des Landesherrn oder des Staats-
ministeriums vor (Preußen, Württemberg, Sachsen, Baden usf.),
die für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend ist.** Diese
Lösung setzt die Verwaltungsbehörde in den Stand, bei der
Zulassung der Expropriation den fortschreitenden Anforderungen
der Zeit Rechnung zu tragen.*°
2. Die Enteignung darf dem Privaten nicht mehr wegnehmen,
als für die Errichtung des öffentlichen Unternehmens unbedingt
erforderlich ist. Daher ist Totalenteignung eines Grundstückes
ausgeschlossen, wenn mit der Teilenteignung den Zwecken des
öffentlichen Unternehmens genügend gedient ist, und zu einer
Entziehung des Eigentums darf überhaupt nicht geschritten
werden, wenn zur Befriedigung des öffentlichen Bedürfnisses die
Auferlegung einer Servitut ausreicht.*®
Frage: Schelcher, Sächs. Enteignungsgesetz 8. 52ff. Eger, Preuß,
Enteignungsgesetz I S. 15ff.
4 Tleiner, Einzelrecht und öffentl. Interesse S. 20ff. Nur in
Bayern ist die Frage, ob das einzelne, an sich zur Erwerbung des Ex-
propriationsrechts geeignete Unternehmen in concreto „öffentlichen not-
wendigen und gemeinnützigen Zwecken dient‘ zur Verwaltungsrechts-
sache gestempelt, über die in erster Instanz die Kreisregierung, in zweiter
Instanz der Verwaltungsgerichtshof zu urteilen hat. Soergel-V 324.
v. Seydel-Piloty, Bayer. Staatsrecht 1 S. 889.
45 Bayr. VGH. 19. April 1911: die „Abtretungspflicht‘ greift nicht
nur dann Platz, wenn das Unternehmen ohne die in Anspruch genommenen
Grundstücke überhaupt nicht zu erreichen ist, sie tritt schon dann ein,
„wenn der ins Auge gefaßte Zweck nach allen vorliegenden Umständen
am besten und sachgemäßesten durch die Verwendung bestimmter Grund-
stücke erreicht wird“. Soergel IV S. 442. Überblick über die Ex-
propriationsfälle bei Eger, Preuß. Enteignungsgesetz I S. 20.
4% Demselben Gedanken ist die Vorschrift einzelner Gesetze über
den „Rückerwerb‘ expropriierten Gutes entsprungen: wird das Unter-