$ 2. Trennung der Gewalten. 19
maßen.?” So einfach der Satz ist, so schwierig kann sich dessen
Handhabung gestalten.
1. Nicht selten greifen nämlich die Wirkungen eines staat-
lichen Aktes über das Gebiet der Gewalt hinaus, welche die be-
treffende Verfügung erlassen hat. Zum Beispiel: Die Polizei ver-
bietet den Prostituierten den Aufenthalt in bestimmten städtischen
Quartieren und macht ihnen dadurch die weitere Benützung der
von ihnen in jenem Quartier gemieteten Wohnungen unmög-
lich.”® Hat dies einen Einfluß auf die von den Prostituierten
2” Darum ist jede Gerichts- und Verwaltungsbehörde verpflichtet,
bevor sie auf eine materielle Beurteilung einer Sache eintritt, genau zu
prüfen, ob ihr die Zuständigkeit zusteht. Die Behörde darf die Frage
auch nicht ‚dahingestellt sein lassen‘‘, wenn sie z. B. findet, ein Gesuch sei
aus materiellen Gründen abzuweisen. DJZ. XVIII 983. Das wird besonders
wichtig in den Fällen, in welchen die Zuständigkeit zur Beurteilung der ver-
"schiedenen Seiten eines und desselben Rechtsverhältnisses unter Verwal-
tungsbehörden und Gerichte verteilt ist. So haben nach der Preußischen
Jagdordnung vom 15. Juli 1907 $ 24 über die Gültigkeit der Jagdpacht-
verträge nach bestimmten Richtungen die Verwaltungsgerichte, im übrigen
aber die bürgerlichen Gerichte zu urteilen. Vgl. dazu Erkenntnis des Preuß.
Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte v. 7. Januar 1911
(DJZ. XVI 1097); s. ferner Badisches Gesetz, die Ausübung der Jagd
betr., v. 1850/1886 $ 110g. W. Roemer, Die Verpachtung der Gemeinde-
jagd nach dem württembergischen Jagdgesetz, Heidelberger Dissertation
1912. Auch der Gesetzgeber ist an die ihm von der Verfassung gezogenen
Kompetenzschranken gebunden. Trotzdem versagt die gemeine Meinung
dem ordentlichen Richter die Befugnis, den Inhalt eines einfachen Gesetzes
aufseine materielle Übereinstimmung mit dem Verfassungsgesetz zu prüfen,
und auch eine besondere Instanz, der dieses Prüfungsrecht übertragen wäre,
fehlt in Deutschland. Georg Meyer-Anschütz, Deutsches Staats-
recht S. 630ff. Kahn, Wieweit ist der deutsche Richter berechtigt.
und verpflichtet, Gesetze und Verordnungen auf ihre Verfassungsmäßig-
keit zu prüfen? (Annalen des Deutschen Reichs 1907, S. 481ff., 597£f.).
Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 77, S. 231. — Anders in der Schweiz:
dort übt das Bundesgericht ‚‚Staatsrechtspflege‘‘ zur Wahrung des eid-
genössischen und kantonalen Verfassungsrechts aus. Das Bundesgericht
ist daher auch befugt, ein kantonales Gesetz, das einen Eingriff in das
Gebiet der Justiz enthält, zu kassieren. Vgl. solche Fälle in den Ent-
scheidungen des Schweiz. Bundesgerichts IV (1878) S. 247; VIII (1882)
S. 868. (Die in jenem Prozesse [franz. Kongregationen] eingelegten Rechts-
gutachten sind verzeichnet in der Zeitschrift für Schweiz. Recht, n. F.,
I, 8. 312, N. 264).
23 Entsch. des Preuß. Oberverwaltungsgerichts v. 10. November 1877
(Entscheidungen III 338). Biermann, Privatrecht und Polizeiin Preußen,
1897, 8. 214. g*
