Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

302 $ 18. Öffentliche Anstalten. 
Für den Privaten ist der Betrieb des erwähnten Unternehmens ein 
Mittel zur Gewinnerzielung, die öffentliche Verwaltung dagegen 
nimmt damit öffentliche Fürsorge wahr. Das wirkt von selbst 
zurück auf die ganze Natur des Unternehmens. Es genügt, 
auf ein einziges Beispiel, die staatliche Arbeiterversicherung, hin- 
zuweisen.e Der Zweck der Arbeiterversicherung ist ein wirt- 
schaftlicher: es gilt, den unselbständig Erwerbenden gegen die 
wirtschaftlichen Folgen von Krankheit, Unfall, Alter und In- 
validität sicherzustellen (securum facere). Äußerlich betrachtet, 
gewinnt somit der versicherte Arbeiter durch die staatliche 
Arbeiterversicherung dasselbe, was er durch den Abschluß 
eines privaten Versicherungsvertrags mit einer Versicherungs- 
gesellschaft erreicht. Trotzdem sind die von Reichswegen zur 
Gewährung von Versicherungsleistungen verpflichteten öffent- 
lichrechtlichen Verbände, die sog. Träger der Versicherung, 
juristisch nicht einfach an die Stelle von privaten Versicherungs- 
anstalten getreten. Die öffentliche Arbeiterversicherung ist ein 
Akt der Fürsorge des Staates für seine Untertanen. Ob die 
obenerwähnten Unternehmungen des Staats und der Gemeinden 
als Gewerbebetriebe zu betrachten sind, läßt sich somit nicht mit 
einer allgemeinen Formel und nicht nach äußerlichen Merkmalen 
beantworten. Man hat in jedem Einzelfall zu untersuchen, ob in 
dem konkreten Unternehmen die für den Gewerbebetrieb charak- 
teristische Erwerbsabsicht zu Tage tritt. Ist die Übernahme 
oder die Gründung einer der erwähnten Anstalten in erster Linie 
darum erfolgt, um durch den Betrieb der Anstalt der öffentlichen 
Kasse eine Einnahmequelle zu verschaffen, so liegt eine Gewerbe 
vor. Hat sich dagegen die zuständige Behörde bei der Errichtung 
der Anstalt von der Erwägung leiten lassen, es sei Sache der 
öffentlichen Verwaltung, dafür zu sorgen, daß die durch die 
bestimmte Anstalt erzeugten Leistungen allen Bürgern gleich- 
mäßig und zu gleichen, billigen Bedingungen zuteil werden — 
dann betreibt die öffentliche Verwaltung kein Gewerbe.” Dieser 
6 Über das Wesen der Arbeiterversicherung: Laband, Staatsrecht 
1115 S. 289. Deutsches Reichsstaatsrecht® S. 301. v.Seydel-Grassmann, 
Bayr. Verwaltungsrecht $ 237. Rosin, Recht der Arbeiterversicherung 
Bd. I (1893) S. 255. Piloty, Arbeiterversicherungsgesetze Bd. III S. 1ff. 
” Landmann, Gewerbeordnung 18 S. 42. Nelken, Gewerberecht 
in Preußen I, 1906, S. 177. — Kein Gewerbe stellt ferner dar die Her-
	        
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