$ 2. Trennung der Gewalten. 2]
Zolldefraudation erhoben ist, der Strafrichter bei der Prüfung der
Schuldfrage selbständig zu untersuchen, ob eine Ware zoll-
pflichtig ist und in welche Klasse des Zolltarifs sie gehört. Der
Strafrichter ist dabei nicht an die Auffassung der Zollbehörden
gebunden.?® In gleicher Weise hat der Zivilrichter bei der Beur-
teilung einer gegen einen Beamten angestrengten Schadenersatz-
klage selbständig festzustellen, ob der Beamte seine Amtspflicht
verletzt hat.”* Ebenso gehört bei der Beurteilung von Erbschafts-
steuer-Streitigkeiten zu den Aufgaben des Verwaltungsbeamten
und Verwaltungsrichters, an Hand von Gesetz und Testament
darüber zu befinden, ob die in Anspruch genommene Person Erbe
sei. In allen diesen Fällen bildet die Beurteilung der Vorfrage
StPO $261 anerkennen indirekt diese Rechtsauffassung; s. unten S. 22, An-
merk. 38. Vgl. auch den Beschluß der vereinigten Zivilsenate des Reichsge-
richts, vom 27. April 1898: ‚‚Diejenige Staatsbehörde, der die Entscheidung
über einen Anspruch überhaupt zusteht, ist auch zuständig, über alle
Rechtsfragen zu befinden, von deren Beantwortung die Entscheidung
über den Anspruch abhängt; die Zuständigkeit der Gerichte umfaßt daher
auch die Fragen, welche öffentlichrechtlicher Natur sind.‘‘ (Reichsge-
richt in Zivilsachen Bd. 41 S. 267ff., insbes. S. 272. Reger XIX 134.)
Vgl. auch Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 14, S. 263. — In Frankreich
ist die Behörde von Gesetzes wegen verpflichtet, ihre Entscheidung aus-
zusetzen, wenn eine „question prejudicielle‘‘ aus einem andern Rechts-
gebiete auftaucht. Das wird begründet mit dem Prinzip der s6öparation
des pouvoirs. Otto Mayer, Theorie des franz. Verwaltungsrechts, 1886;
S.87ff. E. Laferriöre, Trait6 de la juridiction administrative, 2 dd.
1896, I p. 492.
33 Reichsgericht in Strafsachen v.29. Januar 1895 (Entscheidungen XII
$S. 1). Andere Beispiele bei Kamptz u. Delius, Die Rechtsprechung des
Reichs- u. Kammergerichts auf den Gebieten des öffentlichen Rechts 1I(1906)
S. 193, N. 7. Reger XIX 81 (abweichend, aber unrichtig Erg.-Bd. II 50).
Vgl. ferner R. Hergt, Polizeibefehle und richterliches Prüfungsrecht
(Blätter f. administrative Praxis, Bd. 62, S. 378 £.).
34 Vgl. darüber unten $ 16. Weitere Beispiele: Reger XVIII 61; Erg.-
Bd. I 5£. Wenn in einem Zizilprozeß die Frage nach der Öffentlichkeit
eines Weges für das Urteil erheblich wird, so hat der Zivilrichter incidenter
auch über diese Frage zu befinden, auch wenn nach dem maßgebenden
Landesrecht die autoritative Entscheidung darüber, welche Wege öffent-
liche seien, den Verwaltungsbehörden zukommt. S. darüber zwei Urteile
des Reichsgerichts aus dem Jahre 1911 in den Entscheidungen des Reichs-
gerichts in Zivilsachen Bd. 76, S. 324 und im Preuß. Verw.-Bl. XX XIII 32.
35 Reger XXI 226 (Preuß. Oberverwaltungsgericht v. 15. Dezember
1900). Bei der Erhebung der Umsatzsteuer haben Verwaltungsbehörden