$ 22. Sachen im Gemeingebrauch. 349
II. Die Sachen im Gemeingebrauch unterliegen ihrer Be-
stimmung gemäß der Benutzung aller Gebietsangehörigen und
zwar nach folgenden Grundsätzen.
1. Der Gemeingebrauch®! stellt die eigentliche Zweck-
bestimmung dieser Sachen dar. Der Gemeingebrauch ist eine
rechtliche Eigenschaft dieser Objekte.” Jeder, der im Staats-
gebiet zugelassen ist, besitzt die Möglichkeit, diese Eigenschaft
nach seinem Belieben für seine individuellen Zwecke zu be-
nutzen, soweit dies ohne Beeinträchtigung andrer geschehen
kann. Der Anspruch auf Zulassung zum Gemeingebrauch hat
in Deutschland im allgemeinen nicht die Natur eines subjek-
tiven Rechts.” Er ist nichts anderes, als der auf ein konkretes
Objekt gerichtete allgemeine Anspruch der Gebietsangehörigen,
zu den der allgemeinen Benutzung unterliegenden öffentlichen
Einrichtungen zugelassen zu werden und deren Eigenschaften im
individuellen Interesse gebrauchen zu dürfen.
Der gemeine Gebrauch ist bei jeder Kategorie öffentlicher
Sachen verschieden. Der gemeine Gebrauch öffentlicher Flüsse
i. w. S. umfaßt regelmäßig: Waschen, Baden, Wasserschöpfen,
Kahnfahrt, Schlittschuhlaufen, Tränken, bei schiffbaren Flüssen
die Schiffahrt und Flößerei.?”® Der gemeine Gebrauch öffentlicher
Straßen, Meeresufer, Plätze geht in der Regel auf in der Benut-
zung zum Gehen, Fahren, Reiten usf.”* Er erstreckt sich auch
zugelassen ist die Enteignung im Schweiz. Zivilgesetzbuch, Art. 711.
Vgl. über die Frage die Rechtsgutachten von Eugen Huber, Paul Speiser,
A. Hofstetter, in der Zeitschrift für Schweiz. Recht, n. F., XII (1893)
S. 52, 482, 484.
3 W. Schelcher, Kommentar z. Sächs. Wassergesetz II S. 68.
Eymann, Bayer. Wassergesetz I S. 345.
32 Ihering, Die passiven Wirkungen der Rechte (Jahrbücher für
Dogmatik Bd. X).
33 Biermann, Öffentliche Sachen, S. 44 und die dort zitierten Auto-
ren. Andrer Ansicht Gierke, Deutsches Privatrecht, II S. 2425.
33 Vossen Der Gemeingebrauch am Wasser, 1912. A. Mazza,
Dei diritti sulle acque, 1913. Preuß. Wassergesetz $$ 26ff., Bad. Wasser-
gesetz $$ 12, 15, 16.
Ss: Am Meeresstrand fällt unter den Gemeingebrauch auch die Auf-
stellung von Strandkörben. Preuß. OVG. v. 18. Mai 1909 (Entsch. Bd. 54,
8. 262). Der Gemeingebrauch erstreckt sich ferner auf die Jagd am
Meeresstrand und auf den Fang von Muscheln (DJZ. XV 600, 771). Be-