$ 22. Sachen im Gemeingebrauch. 3öl
rechtlichen Zivilklagen verdrängt.°® Daneben bleibt die privat-
rechtliche Schadenersatzklage gegen den Privaten (BGB. $ 823,
Abs. 2) oder den Beamten (BGB. $ 839) vorbehalten, der einen
Dritten widerrechtlich im Gemeingebrauche gestört hat.”
Die Vorteile des Gemeingebrauchs fließen den einzelnen Ge-
bietsangehörigen in ungleichem Maße zu. Nach dem normalen
Lauf der Dinge nutzt sie der am stärksten, der an einem öffent-
lichen Verkehrsweg wohnt oder dort sein Geschäft betreibt.
Für den Besitzer einer solchen Liegenschaft — man denke an
den Ortsstraßenanlieger oder den Flußanlieger — bildet der Vor-
teil der Lage einen Bestandteil seines Vermögens. Dies hat zu
der Annahme verleitet, dem Anlieger (Adjazent) ständen besondere
subjektive Anliegerrechte gegen Staat oder Gemeinde zur Seite.
Diese Auffassung ist zu verwerfen. Der Anlieger besitzt keine
höheren Ansprüche auf den Gemeingebrauch, als jeder andere Orts-
eingesessene. Was ihn vor Andern auszeichnet ist lediglich ein tat-
sächliches Moment: die Lage seiner Liegenschaft. Diese setzt ihn
in den Stand, den Gemeingebrauch intensiver zu nutzen, als es
Andern möglich ist. Nicht das Recht, sondern das wirtschaftliche
Interesse am Gemeingebrauch ist beim Anlieger größer, als bei
den meisten seiner Mitbürger. Daraus folgt, daß der Anlieger
keine besseren Ansprüche auf unveränderte Aufrechterhaltung
des Gemeingebrauchs und der Gemeingebrauchssache besitzt,
als der quivis ex populo*', und daß eine Schadenersatzklage
39 Andrer Ansicht ist die herrschende Meinung. Sie nimmt an, daß
zu Gunsten der Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an Flüssen die
alten gemeinrechtlichen Interdikte (gemäß EG. z. BGB., Art. 65) in Gel-
tung geblieben sind, nach denen der Private vom Privaten direkt Ab-
stellung der Flußverunreinigung verlangen kann. Vgl. z.B. Biermann,
Öffentliche Sachen, S. 4lff. Soergel, I 8.51, Nr. 3; II S. 55, Nr. 21;
75, Nr. 4. Reichsgericht in Zivils. Bd. 53, 8. 384; 64, S. 249; 70, S. 102.
Vgl. dazu die z. T. abweichenden Erörterungen von Gierke, Deutsches
Privatrecht II S. 26 (mit reichen Literaturangaben).
#0 Biermann, Öffentl.Sachen, S.41ff. Oßwald, Rechtsverhältnisse
an öffentl. Sachen, S. 66ff.
41 Vgl. auch Entscheidungen des Schweiz. Bundesgerichte XX (1894)
8. 65; XXIX (1903) T. 2 S. 223. Von einem besondern ‚„Anliegerrecht‘‘ ist
auch noch in den neuesten reichsgerichtlichen Urteilen die Rede. Der Be-
gründung eines solchen Rechts verleihen aber, nach dem Reichsgericht,
„die Formen des öffentlichen Rechts ihre Bedeutung‘, daher hält das
Reichsgerichtsurteil v. 2. Dezember 1908 das Landesrecht für zuständig