360 $ 23. Polizeigewalt.
zeichnung von Staatszweck und Staatstätigkeit. Im engern Sinne
wurde das Wort ‚la police‘‘ verwendet zur Charakterisierung
des guten, geordneten Zustands eines Staatswesens. Am Ende
des 15. Jahrhunderts übernahm Deutschland den Begriff von
Frankreich und fügte ihn als ius politiae dem System der landes-
herrlichen Hoheitsrechte bei (83). Als im 16. Jahrhundert die
Theorie vom ius reformandi die Rechtfertigung lieferte für das
Eingreifen des Landesherrn in die kirchlichen Angelegenheiten,
gab das ius politiae die juristische Formel ab, mit deren Hilfe
die Erweiterung des staatlichen Aufgabenkreises auf weltlichem
Gebiete begründet wurde. Hatte sich der mittelalterliche Staat
auf die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens beschränkt, so ver-
schaffte das ius politiae dem Staate des 16. und 17. Jahrhunderts
die Befugnis, auch für die ‚gemeine Wohlfahrt‘‘ mit staatlichem
Zwange sorgen zu dürfen. Das ius politiae verschaffte dem Landes-
herrn die Kompetenz zum Erlaß aller Anordnungen, welche die
„irdische Glückseligkeit‘‘ der Untertanen verwirklichten. Es ver-
lieh damit dem Staate die Möglichkeit, seine Macht über alle
individuellen Betätigungen der Staatseinwohner zur Geltung zu
bringen und wurde auf diese Weise zum Gründer der absoluten
Staatsgewalt. Der ‚„Polizeistaat‘‘ ging in dem absoluten Staate
auf. ,„Policey‘‘ und Staatsregiment wurden identische Begriffe.
Aber schon am Ende der Reformationszeit begannen sich
von dem Begriffe der ‚„Policey‘“‘ einzelne Staatsfunktionen ab-
zulösen. Die erstarkenden Territorialgewalten fingen an, für die
Besorgung der auswärtigen Politik, des Kriegswesens und der
Finanzen (des ‚„Kameralwesens‘‘) besondere staatliche Einrich-
tungen und Behörden auszubilden. Sodann begann sich aus
dem übrigen Staatsregiment die Justiz als eine gesonderte Funk-
tion herauszuheben. Durch diese Entwicklung wurde die Polizei
auf die Staatsaufgaben beschränkt, die in keinen der genannten
andern Verwaltungszweige fielen. Trotzdem ruhte nach wie vor
in ihr der Schwerpunkt der gesamten Staatstätigkeit. Denn ihr fiel
von selbst die Sorge für die zahllosen neuen Aufgaben zu, welche
eine neue Auffassung vom Berufe des Staates der öffentlichen
Verwaltung übertrug. Wie diese neuen Aufgaben erledigt werden
mußten, wies noch kein geschriebenes Recht. Infolgedessen
war für sie das freie Ermessen der Regierung allein maßgebend.
Damit trat die Polizei in einen Gegensatz zur Justiz. „Justiz-