Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 23. Polizeigewalt. 371 
Störung angegriffene Rechtsgut genießt. Während die Polizei- 
behörde schon durch den leichtesten Angriff auf die geschlecht- 
liche Sittlichkeit zum Einschreiten veranlaßt wird, ist sie ge- 
genüber groben Belästigungen des Gehörs von einer übertriebenen 
Milde.?° Die Anforderungen der öffentlichen Ordnung ändern sich 
nach Ort und Zeit:? das Teppichklopfen in den Morgenstunden 
gilt fast überall als erlaubt, an einem Kurort dagegen darf es 
im Interesse der Kranken verboten werden;°! das Bemalen der 
Häuser in den dänischen Nationalfarben wird in einer Stadt 
Mitteldeutschlands als eine harmlose Liebhaberei betrachtet, 
in Nordschleswig jedoch ist die Polizei aus politischen Gründen 
befugt, hiergegen einzuschreiten.”® Die ‚„Ortsüblichkeit‘“ kann 
sich sogar im einzelnen Stadtteil im Laufe der Zeit infolge der 
Umgestaltung der äußeren Umstände verändern.’”® Welche Wand- 
29 „Musik wird oft nicht schön gefunden, 
Weil stets sie mit Geräusch verbunden.“ (Wilhelm Busch.) 
H. Beuttenmüller, Der rechtliche Schutz des Gehörs, 1908. 
v. Kamptz, Der Rechtsschutz gegen Lärm durch gewerbliche Betriebe 
(Gesetz u. Recht XIV). Entsch. d. Preuß. OVG. Bd. 6, S. 349 (SchieB- 
lärm). Soergel, 1S.141, Nr.9(Dampfpfeife); S.173, Nr. 9 (Orchestrion); 
V 406, 447. Reger XXXIII 331. Der Bad. VGH. 5. Mai 1909 halt ein 
polizeiliches Verbot für unzulässig, das sich gegen ununterbrochene Musik- 
aufführungen richtet. (Bad. Rechtepraxis 1911, S. 141.) Die Verfügung 
an den Eigentümer des Orchestrions, die Fenster zu schließen, ist aber 
erlaubt: Preuß. OVG. 6. Mai 1909 (Spruchsammlung 1910 der DJZ.S. 176). 
— Der Genuß frischer Luft ist ein polizeilich zu schützendes Rechtsgut; 
daher polizeiliches Einschreiten gegen Ausdünstungen usf.: Preuß. OVG. 
1. Okt. 1909 (Preuß. Verw.-Bl. XXXI 291). 
30 Das tritt u. a. in den ataatlichen Vorschriften über die Feier des 
Karfreitags und des Fronleichnamsfestes in paritätischen Gemeinden in 
die Erscheinung. Kahl, Lehrsystem d. Kirchenrechts I S. 400. Säg- 
müller, Kathol. Kirchenrecht, 2. Aufl., S. 711. v. Kirchenheim, 
Kirchenrecht ? S. 72. Bitters Handwörterbuch d. preuß. Verwaltung, 
I? S. 988, Art. „Karfreitag‘“. 
sı Soergel, I S. 559, Nr. 6f; vgl. jedoch auch III S. 478. Spruch- 
sammlung 1909 der DJZ. 8. 141. 
822 Preuß. OVG. v. 16. Mai 1902 (Entsch. Bd. 41, S. 432). Vgl. auch 
Reger XIV 204. Windmühlenflügel in polnischen Farben: Spruchsamm- 
lung 1910 der DJZ. S. 176. Tragen roter Fahnen: DJZ. XV 488, 769. 
8 Beispiel: Infolge der Ausdehnung einer Stadt ist eine ehemals 
abseits gelegene Fabrik in das Zentrum des Wohnviertels hineingerückt. 
Der Fabriklärm, der als zulässig erschien, solange die Fabrik allein auf 
weiter Flur stand, wird nunmehr polizeiwidrig. Hörle, im Verwaltungs- 
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