44 83. Geschichtliche Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts.
gerichtsbarkeit und der durch sie bedingten einseitig zivi-
listischen Ausbildung der Mehrzahl der deutschen Juristen.
Nicht verschwiegen soll ferner sein, daß zum Teil die formale
Unvollkommenheit des öffentlichen Rechtes selbst der Weiter-
geltung zivilrechtlicher Vorschriften Vorschub geleistet hat.
Denn für zahlreiche Verhältnisse der öffentlichen Verwaltung
fehlt es noch an fertig ausgebildeten, bis in die Einzelheiten aus-
gebauten besonderen Rechtsnormen.
Eine reiche und vielfach verschlungene Entwicklung mündet
in dem Rechte der Gegenwart aus. Ihre Höhepunkte werden
nicht durch Erlasse des Gesetzgebers bezeichnet. Von der
Praxis der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte und
von der stillen Arbeit der Wissenschaft ist der Fortschritt aus-
gegangen. Vieles ist zur Reife gekommen. Das meiste aber ist als
ein Werdendes der Pflege der Gegenwart und der Sorge der
Zukunft anheimgestellt.
II. Die Wissenschaft ist auch auf diesem Gebiet der ge-
treue Spiegel der Rechtsentwicklung gewesen.” In den Tagen
des Polizeistaats erblickte sie ihre Aufgabe darin, zu registrieren,
auf welche ‚Gegenstände‘ sich die Fürsorge der ‚Policey‘ er-
streckte und welche Gründe für das Eingreifen des Staats maß-
gebend waren.’® Nach der Einführung des Verfassungsstaates
und der organisatorischen Scheidung von Justiz und Verwaltung
suchte sodann die Wissenschaft die Kompetenzgrenze zwischen
Justiz und Verwaltung zu finden und eine allgemeine Formel zu
gewinnen, nach der die ,‚Justizsachen‘' von den ‚‚Regierungssachen“
unterschieden werden könnten.?”* Daneben aber begann sie, das
alte ‚‚teutsche Policeyrecht‘ in die neue Form der ‚Verwaltungs-
lehre‘ hinüberzuleiten; die einzelnen Verwaltungszweige mit
allen ihren Zutaten erfuhren eine eingehende Beschreibung.
32 Otto Mayer, 1S.16ff. Edgar Loening, Lehrbuch des Deutschen
Verwaltungsrechts, 18834, 8. 21ff.
33 Ein Beispiel aus vielen: Günther Heinrich von Berg, Handbuch
des Teutschen Policeyrechts, 2. Aufl., 1802 ff.
st Zu vergleichen sind die oben, S. 40 ff. zitierten Schriften von Funke,
Pfizer, Behr, Weiler u. a. Besonders charakteristisch für die ganze Rich-
tung ist die Abhandlung von Mittermaier, Beiträge zur Lehre von den
Gegenständen des bürgerlichen Prozesses (Archiv für zivilistische Praxis,
Bd. IV [1821] S. 305 ff.).