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Verwaltung geführt wurde, bloße Verwaltungsvorschriften (vgl.
oben S. 33). Der Rechtsstaat hat die Mehrzahl von ihnen in
Rechtsnormen umgewandelt, ohne jedoch die Quelle zuzu-
schütten, aus der sie fließen. Ganz entbehren kann auch der
Rechtsstaat der Verwaltungsvorschriften nicht. Denn in ihnen
findet nicht selten ihren Ausdruck das, was über die Gebote des
Rechts hinaus die Zweckmäßigkeit erfordert. Derartige Ver-
waltungsvorschriften sind geeignet, eine Verwaltungstradition
zu begründen, die hinterher vom Gesetz in Rechtssätze umgeprägt
werden kann.®°
Die Beamteninstruktionen stellen nicht die einzige Art der
Verwaltungsvorschriften dar. Ein dem Beamtenverhältnis ver-
wandtes besonderes Abhängigkeitsverhältnis kommt auch zu-
stande durch den freiwilligen oder erzwungenen Eintritt von
Privatpersonen in den engeren Bannkreis einer öffentlichen
Anstalt (Schule, Zuchthaus, Schlachthaus usf.). Vgl. darüber
unten $ 11. Diese Personen gelangen damit unter die beson-
dere Befehlsgewalt der Behörde, die dieser Anstalt vorgesetzt ist,
und empfangen von ihr die Weisungen für ihr Verhalten in der An-
stalt.** Der Benutzer wird so ein Rad im Anstaltsbetriebe. In-
sofern führt er dem Staate gegenüber keine selbständige Existenz.
Er ist durch die Anstalt ‚‚mediatisiert‘‘. Daher sind auch die
Verhaltungsbefehle, welche‘, in Anstaltsordnungen,, aufgestellt
werden, keine Rechtssätze, sondern Verwaltungsvorschriften.
45 Laband, Staatsrecht, II® S. 186. Rosin, Polizeiverordnungs-
recht in Preußen, 8. 31. Rosin führt ein charakteristisches Beispiel an:
Ein Gesetz hat zunächst den Verwaltungsbchörden freie Hand gelassen,
die zur Bekämpfung einer Seuchengefahr geeigneten Maßregeln zu treffen.
Die Ministerialinstanz sucht nun, im Rahmen des Gesetzes durch Instruk-
tionen ein einheitliches Vorgehen der unteren Behörden zu erzielen
Bei einer gesetzlichen Neuregelung der Materie kann dann der Teil der
Instruktionen, der sich bewährt und zu einem festen Niederschlag ver-
dichtet hat, in das Gesetz aufgenommen und in Rechtsnormen unige-
wandelt werden.
4 Otto Mayer, Staatsrecht des Königreichs Sachsen, 190%,
Ss. 185—186.