76 $5. Quellen des Verwaltungsrechts.
stellen somit das Seitenstück zu den oben erwähnten Polizei-
gesetzen dar.
Allein gerade diese Verquickung der Strafandrohung mit dem
Verwaltungsrechtsatz hat das Bedenken entstehen lassen, ob der
Gesetzgeber die Verordnungsdelegation auch auf die Androhung
der Strafe erstrecken darf. Die preußische Gesetzgebung bejaht die
Frage.” Demgemäß können die preußischen Verwaltungsbehörden
sowohl zur Aufstellung der Verwaltungsnormen, wie der Strafan-
drohung ermächtigt sein.”?* Das Gesetz zieht jedoch der Verord-
nungsgewalt auch nach der Strafseite hin insofern Schranken, als
es jeder mit dem Verordnungsrechte ausgestatteten Behörde das
Höchstmaß der Strafe genau vorzeichnet.*” Süddeutschland hat
im Gegensatz dazu, im Anschluß an das französische Recht,
andere Bahnen eingeschlagen. In Frankreich ging die Revo-
lutionsgesetzgebung von dem Grundsatze aus, die Strafe könne
unter allen Umständen nur von einem formellen Gesetze an-
gedroht werden (nulla poena sine lege). Damit schien den
Polizeiverordnungen der Boden überhaupt entzogen zu sein.”*
Allein zwischen der starren Theorie und den Bedürfnissen der
Praxis kam ein Kompromiß zustande. Es ist in der Folge auch
denen sie bei der Erteilung von Schankkonzessionen zu verfahren haben.
Urt. des preuß. Ob.-Verw.-Ger. v. 19. Jan. 1898 und 27. Mai 1899 (Entsch.
Bd. 33, S. 341; Bd. 35, S. 342). Vgl. auch Reger, XIX 170; XX 164.
22 Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preußen, S. 51, 75ff. Thoma,
Polizeibefehl im Bad. Recht, I S. 225ff.
22?* Die vom Oberpräsidenten zu erlassenden Polizeivorschriften be-
dürfen jedoch der Zustimmung des Provinzialrats u. die vom Regierungs-
präsidenten zu erlassenden der Zustimmung des Bezirksausschusses; in
beiden Fällen müssen somit Selbstverwaltungsorgane mitwirken. Nur
bei Dringlichkeit können der Oberpräsident oder Regierungspräsident
die Polizeivorschrift vor Zustimmung des Selbstverwaltungsorgans vor-
läufig von sich aus erlassen (sog. oktroyierte Polizeiverordnungen).
Landesverwaltungsgesetz v. 1883 $ 139. Urteil d. Kammergerichts v.
8. Mai 1911 (Johow Bd. 41, S. 355).
23 Insbesondere das Preuß. Gesetz über die Polizeiverwaltung v.
1l. März 1850 hat genau festgesetzt, welche Höchststrafen die einzelnen
Instanzen androhen dürfen.
24 Über Entwicklung und Bedeutung des Grundsatzes „nulla pocna
sine lege‘: Binding, Handbuch des Strafrechts, I S.17—28. A.Schott-
laender, Die geschichtliche Entwicklung des Satzes „nulla poena sine
lege‘‘, Heidelberger Dissertation 1911.