Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
144 
Apothekenwesen 
  
in erster Linie darin Ausdruck gefunden, daß man 
nur staatlich approbierten Ap die Verw von A ge- 
stattet. Die Uebertragung eines Privilegiums 
oder einer Konzession war somit stets an jene Vor- 
aussetzung gebunden. Während man nun in dem 
17. und 18. Jahrhundert im Deutschen Reiche 
jener Forderung am besten dadurch genügen zu 
können glaubte, daß man den staatlichen Schutz 
möglichst weit ausdehnte und den Ap Privi- 
legien, die meist sogar mit Verbietungsrechten 
verbunden waren (sog. Exklusiv-Privilegien) ge- 
währte, oder auch von seiten selbst kleinerer Kom- 
munen A einrichtete, haben sich diese Verhältnisse 
seit Anfang vorigen Jahrhunderts insofern ge- 
ändert, als infolge der freieren Anschauung auf 
gewerblichem Gebiete Privilegien überhaupt nicht 
mehr erteilt sind, sondern nur noch Kon- 
zessionen, die entweder mit Genehmigung 
der zuständigen Behörde verkauft werden dürfen 
oder nach dem Tode des Inhabers an den Staat 
wieder zurückfallen, also unverkäuflich und unver- 
erblich sind. Vollständige Freigabe des Handels 
mit Az Mitteln, also Kiederlassungsfrei- 
heit, hat im Deutschen Reiche nur während der 
französischen Fremdherrschaft in den das ehemalige 
Königreich Westfalen bildenden Landesteilen so- 
wie in Elsaß-Lothringen (hier bis 1877) bestanden. 
Die Frage, welches System: Privileg, ver- 
käufliche (Real-) oder unverkäufliche (Personal-) 
Konzession, Verstaatlichung, Kommunalisierung 
der A oder Niederlassungsfreiheit, sich für die ge- 
setzliche Regelung des A Mittelhandels am meisten 
empfiehlt, ist eine sehr umstrittene. Nur in einem 
Punkte dürfte wohl Uebereinstimmung herrschen, 
daß Bannrechte, sog. Privilegien, sich völlig über- 
lebt haben; tatsächlich werden sie auch in keinem 
Bundesstaate mehr erteilt. 
Die Nachteile der Privilegien: Dem 
Rechtsbewußtsein unserer Zeit wie den leitenden 
Grundsätzen der GewO zuwiderlaufende Be- 
günstigung Einzelner auf Kosten der Gesamtheit 
durch Zuwendung hochwertiger veräußerlicher 
ABerechtigungen, außerordentliche Preissteige- 
rung der vorhandenen A#Werte, insbesondere der 
sog. Idealwerte, und die damit Hand in Hand 
gehende Verschuldung der , die einerseits deren 
ordnungsmäßigen Betrieb gefährdet und ander- 
seits die dem Bedürfnisse der Bevölkerung entspre- 
chende Vermehrung der A und damit eine ord- 
nungsmätßige AzVersorgung der Bevölkerung 
hindert, sowie Erschwerung des Selbständig- 
werdens für den unbemittelten Ap, haften mehr 
oder weniger auch den verkäuflichen A- 
Konzessionen an: deshalb ist man mit 
Recht fast in allen deutschen Bundesstaaten, na- 
mentlich in den letzten Jahrzehnten, zu dem Sy- 
stem der reinen Personalkonzession 
übergegangen, die auch zur allgemeinen Einfüh- 
rung in dem letzten, 1907 veröffentlichten Entwurf 
eines Reichs-A## vorgesehen ist. Dieser Entw ent- 
hält außer Vorschriften über Ausschreibung, Er- 
teilung, Versagung, Entziebung und Erlöschen 
einer Konzession, über die Anlegung von Zweig-A 
und Dispensieranstalten, die Erlaubnis zu ärztlichen 
und tierärztlichen HausA auch einzelne Bestim- 
mungen über den Aetrieb und über die Um- 
wandlung verkäuflicher A in nicht verkäufliche, 
also über die allmähliche Ablösung aller z. 3. 
noch vorhandenen AWerte, die durch die Auflage 
  
35,3, 51,9 und 12,80, 
von Betriebsabgaben seitens der neuen Kon- 
zessionsinhaber erreicht werden soll. Diese Ab- 
lösung ist zweifellos eine der schwierigsten Fragen: 
gesetzlich ist sie bisher nur im Königreich Sachsen 
(s. später) geregelt. Der Wert der sogenannten 
Idealwerte, die hierbei hauptsächlich in Betracht 
kommen, wird im Deutschen Reich auf 400—500 
Millionen Mark geschätzt. Die Bestimmungen 
des Entw sind im allgemeinen zweckmäßig, 
sie haben nur insofern einen Mangel, daß 
sie die Erteilung einer Konzession an Gemeinden, 
also die Errichtung von Kommunal #,, nicht 
gestatten, deren Einführung viele Vorzüge 
besitzt und sich im Großherzogtum Hessen durch- 
aus bewährt hat. Die Reichs GEgebung hat übri- 
gens schon bisher den Ap insofern einen ge- 
wissen Schutz gewährt, als sie durch § 147 Nr. 1 
GewO die Ausübung des Ap Gewerbes durch 
Nicht Ap, sowie durch § 367 Nr. 3 des StGB den 
Handel mit Giften oder Az unter Strafe stellt, 
soweit er nicht auf Grund des & 6 Abs 2 GewO 
freigegeben ist. 
57. Apothekenberechtigungen der selbständi- 
gen (Voll-)Apotheken. Den Berechtigun- 
gen und Besitzverhältnissen nach las- 
sen sich im Deutschen Reich zur Zeit folgende Arten 
von A#erechtigungen unterscheiden: 
1. Realprivilegien mit oder ohne Ver- 
bietungsrecht, sowie mit oder ohne Verpflichtung 
zur Zahlung eines Kanons; sie sind völlig frei 
verkäuflich und meist an ein bestimmtes Grund- 
stück gebunden, d. h. „radiziert"“; 
2. Realkonzessionen, die in der Regel 
an ein bestimmtes Grundstück gebunden, aber 
nur mit Genehmigung der Behörden verkäuflich 
sind; diese Genehmigung muß jedoch bei Präsen- 
tation cines approbierten Ap stets erteilt werden: 
3. reine Personalkonzoessionen, die 
weder verkäuflich noch vererblich sind, bei denen 
aber im Todesfalle des Inhabers der Witwe bezw. 
den minderjährigen Kindern die Verw der A durch 
einen approbierten Ap auf längere oder kürzere 
Zeit gestattet wird. Für den Geschäftsnachfolger 
besteht bei diesen Konzessionen die Verpflichtung, 
mindestens die AEinrichtung nebst Azmittelvor- 
räten gegen eine angemessene Entschädigung zu 
übernehmen; in Bayern und Sachsen hat er auch 
eine Entschädigung für den sog. Kundschaftswert 
zu zahlen. 
Außerdem sind einige A im Besitze der Krone 
bezw. standesherrlich sowie im Besitz des Staates, 
von Gemeinden, Korporationen und Anstalten 
usw.; eine größere Anzahl von A im Besitz von 
Gemeinden ist besonders im Großherzogtum 
Hessen vorhanden (s. nachstehend). 
Abgesehen von Sachsen-Weimar, Schwarzburg- 
Sondershausen und Reuß j. L., wo bis jetzt nur pri- 
vilegierte Avorhanden sind, sowie von Bremen und 
Hamburg, wo es nur verkäufliche Konzessionen gibt, 
sind in den übrigen Bundesstaaten fast alle vor- 
her genannten Arten von Berechtigungen ver- 
treten, d. h. es besteht hier also ein sogenanntes 
gemischtes System. Von den z. Zeit im 
Deutschen Reich befindlichen VollA (rund 6000) 
beruhen rund 1800 = 300 auf Privilegien, 2300 
48,3 auf Realkonzessionen und 1900 = 31,70 
auf unverkäuflichen Personalkonzessionen, gegen 
iim Jahre 1895; das Ver- 
hältuis hat sich also seitdem außerordentlich stark
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.