Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
I. Armenrecht (Verpflichtungen) 
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munalständische Verwaltung: Kassel — Wiesbaden 
— Sigmaringen, c) Kreise: Die 37 Kreise der 
Prov. Ostpreußen — das Herzogtum Lauenburg. 
d) Stadtgemeinden: Berlin, Breslau, 
Königsberg i. Pr. e) die Insel Helgoland. — 
2. In Württemberg: Die 4 Reg Kreise (seit 
89 an Stelle der 64 Oberamtsbezirke). — 3. In 
Baden: Die 11 Kreise. — 4. In Hessen: Die 
18 Kreise. —5. In Mecklen burg-Strelitz: 
Der Stargardsche Kreis — das Fürstentum Ratze- 
burg. — 6. In Oldenburg: a) Herzogtum 
Oldenburg: Die 12 Verwüemter, und zwar 
die Aemter Varel und Jever einschl. der gleich- 
namigen Städte; dagegen bilden die Stadt Olden- 
burg sowie das Amt Landwührden (Gemeinde 
Deedesdorf), b) Fürstentum Lübeck, c) Fürsten- 
tum Birkenfeld je einen LAu# für sich. — 
7. In S.= Meiningen: Die 4 Kreise. — . In 
Waldeck: Die 4 Kreise. — 9. Els.-Loth- 
ringen. Die 3 Landesbezirke: Unter-, Ober- 
Elsaß und Lothringen. — In den übrigen Staaten 
hat der Staat unmittelbar die Funktionen des LA#. 
B. Die armenrechtlichen Verpflichtungen 
#s 5. I. Vorlänfige Fürsorgepflicht. Das G, 
von der Voraussetzung ausgehend, daß die Hilfs- 
bedürftigkeit regelmäßig ein die schnellste örtliche 
Abwehr erfordernder Zustand ist, stellt die Unter- 
suchung der Frage, welchem Verbande die ALast 
nach ARecht obliegt, in zweite Linie und fordert 
in jedem Falle, für Deutsche und Ausländer, die 
Leistung der notwendig werdenden vorläu- 
figen Hilfe. Es ist daher jeder Hilfsbedürftige 
(Deutscher § 28, Ausländer § 60) von demjenigen 
OA## vorläufig zu unterstützen, in dessen 
Bezirk er sich bei dem Eintritt der Hilfsbedürftigkeit 
befindet. Was im einzelnen Falle als Hilfsbedürf- 
tigkeit zu erachten, ist Sache der tatsächlichen Wür- 
digung: abgesehen von dem durch Anrufen seitens 
des Bedürftigen selbst zur Kenntnis des OA ge- 
brachten Zustande, kann auch die anderweit, z. B. 
durch Ueberweisung seitens der PolBehörde, ge- 
wonnene amtliche Kenntnis davon zwingender 
Anlaß zur Fürsorge sein (E. 18, 66). Ein OA##, 
welcher der subjektiv erkannten oder objektiv er- 
kennbaren Hilfsbedürftigkeit gegenüber die U unter- 
läßt, macht sich einerseits der Aufsichtsbehörde, 
andererseits jedem anderen A# gegenüber ver- 
antwortlich, sofern durch die Unterlassung ein solcher 
genötigt wird, seinerseits vorläufig zu unterstützen. 
Der häufigste Fall solcher Zuwiderhandlung ist 
die mit technischem Ausdruck „Abschiebung“ 
genannte Tätigkeit, welche im engeren Sinne das 
Verbringen eines Bedürftigen aus dem eigenen 
in den Bezirk eines anderen A# behufs Umgehung 
der vorläufigen Fürsorgepflicht und im weiteren 
Sinne jede positive, auf diesen Zweck gerichtete, 
mit Belastung eines anderen A# verbundene 
Handlungsweise bedeutet. Besonders charakteri- 
stische Fälle sind: das Fortbringen kranker oder dem 
Krankwerden naher Personen in Orte mit guten 
Krankenanstalten, Verabfolgung von Geschenken 
an Durchreisende, um sie zur Weiterreise zu be- 
wegen, Versagung von Obdach (vgl. namentlich E. 
19 45; 14 44; 15 41; 19 65: 27 71; 34 55, wo- 
nach derartige Zuwiderhandlungen sehr häufig 
sind). Die Verpflichtung zur vorläufigen Fürsorge 
ist eine so zwingende, daß trotz erkennbarer Ab- 
  
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 
  
schiebung der OA#, dem ein Bedürftiger zuge- 
schoben ist, seinerseits zur Fürsorge verpflichtet ist 
und durch erneutes Abschieben sch gleicher Zu- 
widerhandlung schuldig macht, selbst wenn er im 
guten Glauben handeln und den Bedürftigen dem 
ersten OAu# zurückschicken sollte. Als Zwangs- 
mittel stehen dem durch Abschiebung betroffenen 
A die Klage auf Erstattung seiner Aufwendungen 
und Uebernahme des Bedürftigen zur vorläufigen 
Fürsorge gegen den abschiebenden OA# mit der 
Maßgabe zu, daß er, falls mehrere beteiligt sein 
sollten, jeden von ihnen in Anspruch nehmen kann 
— vgl. E. 20 52, 54. Dieses Mittel ist wegen 
der unten zu besprechenden Grundsätze über das 
Erstattungswesen, sowie wegen der eigentümlichen 
Natur der APflege sehr unzulänglich, so daß Wün- 
sche nach vollem Ersatz, nach Bestrafung des schul- 
digen Teiles durch den Wert des Mehrfachen und 
namentlich nach besserer Aufsicht von vielen Seiten 
laut geworden sind. Im übrigen bleibt jedem A##, 
dem Charakter der vorläufigen Fürsorge entspre- 
chend, der Anspruch auf Erstattung und Ueber- 
nahme gegen den nach ARecht endgültig verpflich- 
teten A# vorbehalten (§ 28). 
5 6. II. Endgültige Fürsorgepflicht. 
a) Der Ortsarmenverband. 
Wie in 52 kurz dargelegt, beruht das System des 
UW auf dem Unterstützungswohnsitz ge- 
nannten Rechtsverhältnis. Zur U im vollen Um- 
fange, zur Erstattung vorläufigen Aufwandes, zur 
dauernden Duldung des Aufenthalts ist derjenige 
O A V verpflichtet, in dessen Bezirk ein Bedürf- 
tiger den UW besfitzt. 
1. Der Erwerb des U Wist mit ausdrücklichem Aus- 
schluß aller anderen auf dem Gemeindebürgerrecht 
oder privater Vereinigung usw. beruhenden Er- 
werbsgründe in dreifacher Weise möglich: 
durch Aufenthalt, Verehelichung, 
Abstammung (9.). 
Durch Aufenthalt wird der UW von seiten jedes 
dem Geltungsgebiet des UW G angehörigen Deut- 
schen erworben, wenn er innerhalb eines O A# 
nach zurückgelegtem 16. Lebensjahre (AUW G: 24, 
Novelle v. 94:18) ein Jahr lang ununter- 
brochen seinen gewöhnlichen Aufent- 
halt gehabt hat (bis 08: 2 Jahre). 
Die gesamten an das Lebensalter angeknüpften 
Wirkungen für Erwerb und Verlust des UW treten 
nunmehr mit dem vollendeten 16. Lebensjahre ein; 
die entsprechenden abgeleiteten Wirkungen treten 
auch für den Erwerb des UW durch Verehelichung 
und Abstammung ein. Doch erhoben sich 1894 
hierbei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob 
die neue Vorschrift in der Weise rückwirkende 
Kraft besitze, daß alle früher oder später vorkom- 
menden Fälle so zu beurteilen sind, als wenn 
das 18. Lebensjahr von jeher für Erwerb und 
Verlust des UW ausschlaggebend gewesen wäre. 
Zwei Richtungen standen sich hier gegenüber, 
einerseits Krech, andererseits Kelch und ich 
selbst in Sozialer Praxis 94, 185. Das BM#hat 
sich für die von Kelch und mir vertretene Auffas- 
sung entschieden (E. 27 2 ff und 28 12; 29 3: 
30 2) und den Rechtsgrundsatz aufsgestellt, daß 
der Vorschrift der Novelle rückwirkende Kraft 
beizulegen ist, jedoch mit der Einschränkung, 
daß, insoweit es sich um vor dem 1. 4. 94 gewährte 
U handle, das alte Recht in Anwendung kommt. 
Dasselbe gilt für alle vor dem 1. 4. 94 begonnenen 
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