Abgaben 9
wesentlichen beseitigt) der Mitglieder der media-
tisierten, vormals reichsständischen Fürsten= und
Grafenhäuser [Depossedierte, Me-
diatisiertel. Besonders zu erwähnen sind
hier, weil gleichmäßig für alle deutschen Staaten
geltend, die reichsgesetzlichen St Privilegien der
Militärpersonen, insbesondere die Bestimmung,
daß das Militäreinkommen der Personen des Unter-
offizier= und Gemeinenstandes, sowie für den Fall
einer Mobilmachung das Militäreinkommen aller
Angehörigen des aktiven Heeres bei der Veran-
lagung bezw. Erhebung von Staatssteuern außer
Betracht bleibt [UMilitärpersonens. St-
Befreiungen finden sich 3. und zwar in vielfacher
Erscheinungsform in den einzelnen Steuergesetzen
aus volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Er-
wägungen. Hierher gehört insbesondere bei den
Personal St die StFreiheit der kleinen Einkom-
men, welche als Versuche gesetzgeberischer Rück-
sichtnahme auf das sogen. Existenzminimum sich
darstellen, sowie die St Befreiung bezw. Erleich-
terung mit Rücksicht auf die besonderen persön-
lichen und Familienverhältnisse (Kinderzahl, Krank-
heit usw.). Die erheblicheren von diesen Bestim-
mungen kommen bei der Erörterung der einzelnen
St Gattungen zur Sprache.
Auch die gleiche Teilnahme an den Staats-
lasten oder der Grundsatz der Gleichmäßig-
keit der Besteuerung hat, wie oben nachgewiesen,
mehrfach in Deutschland verfassungsmäßigen Aus-
druck gefunden; auch da, wo solches nicht ge-
schehen, bildet er ein Ideal der St Politik, welches
allerdings eine einfache Verwirklichung nicht ohne
weiteres gestattet. Eine wörtliche Verwirklichung
würde sogar zum Gegenteil gerechter Besteuerung
führen. Was besonders in Betracht kommt, ist
folgendes:
Der gerechte Maßstab der Belastung kann, wie
in 56 bereits angedeutet, in der Besteuerung nach
dem Interesse des St Pflichtigen — und zwar nach
dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung
(Aequivalenzsystem), — oder nach dem Grundsatz,
daß die St Versicherungsprämie für den Vermögens-
schutz des Staates sei (Assekuranzsystem) — gesucht
werden. Als Regel ist eine solche Auffassung, welche
die für die Gebührenerhebung maßgebende Norm
auf das St Wesen übertragen will, für die Besteu-
erung abzuweisen, da deren Wesen gerade darin
besteht, daß bei Abmessung der Beiträge der Be-
völkerung zu den Staatslasten von der Ermittlung
der (lonkret auch gar nicht nachweisbaren) Gesamt-
leistung des Staates an den Einzelnen abgesehen
wird. Nur ausnahmsweise, insbesondere auf dem
Gebiete der Kommunalbesteuerung, kann das
Interessenprinzip bei der Bestimmung des St-
maßstabs einigermaßen zur Geltung kommen.
Die überwiegende Anschauung der Gegenwart
geht dahin, die Verwirklichung des Grundsatzes
gleichmäßiger Besteuerung in der Bemessung nach
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu finden.
In Berücksichtigung sind hierbei Vermögen und
Einkommen zu ziehen, letzteres in hervorragender
Weise. Während die ältere theoretische Ansicht
einer gleichartigen proportionalen Besteuerung
nach dem Einkommen das Wort redete, befür-
wortet die neuere wissenschaftliche Auffassung in
Uebereinstimmung mit der neueren Praxis der
Gesetzgebung die Rücksichtnahme auf die innere
Verschiedenartigkeit des Einkommens nach seinen
Quellen (fundiertes — unfundiertes Einkommen)
und nach seiner Höhe. In der St PPolitik tritt dies
in die Erscheinung als geringere Besteuerung der
kleinen Einkommen in degressiver Weise und ent-
wickelt sich allmählich, mit Hebung des Punktes
von dem aus die Degression nach unten geht,
auf einen sehr hohen Einkommensbetrag, zu aus-
gesprochener Progression, außerdem auch zu wei-
terer Rücksichtnahme auf die persönlichen Ver-
hältnisse des Pflichtigen. Der lange Zeit hin-
durch recht heftige Streit für und wider pro-
gressive Besteuerung ist minder lebhaft geworden,
nachdem man einerseits eingesehen hat, daß die
starre Proportionalität mit der Billigkeit wie mit
der positiven Gesetzgebung im Widerspruch steht,
und andererseits, daß eine praktisch sehr wohl durch-
führbare mäßige Progression, welche von einer
Beraubung der Reicheren weit entfernt ist, die
sozialpolitischen Gefahren nicht in sich trägt, welche
einer übertriebenen Progression allerdings an-
kleben. Neuerlich machen sich allerdings Anzeichen
bemerklich, die darauf hindeuten, daß in nicht zu
ferner Zeit veraussichtlich der Kampf um Berau-
bung oder Nichtberaubung der Besitzenden bei der
Bestimmung der Höchstsätze der progressiven Be-
steuerung stärker entbrennen wird.
Im übrigen ist noch zu bemerken, daß der Ge-
danke der Progression mit der Absicht des Schutzes
der wirtschaftlich schwächeren Schichten mehr und
mehr nicht bloß bei der direkten Besteuerung,
insbesondere der allgemeinen Einkommensbe-
steuerung durchgedrungen ist, sondern auch bei der
Erbschaftsbesteuerung (namentlich auch bei der
Reichserbschafts St) und bei der Ausgestaltung der
Verbrauchs St (neuerlich z. B. bei der Reichsbrau-
St und bei der Zigaretten St) weiter Anwendung
gefunden hat.
Die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleich-
mäßigkeit der Besteuerung haben nicht bloß für
die StGGesetzgebung, sondern auch für die St-
Verwaltung Bedeutung. Was zunächst die All-
gemeinheit der Besteuerung vom Standpunkte
der Verwaltung anlangt, so besteht sie in dem
Streben derselben, jeden, dessen St Pflichtigkeit
nach dem Geset feststeht, auch tatsächlich zur Be-
steuerung heranzuziehen. Eine umfangreiche Tä-
tigkeit anordnender und vollziehender Verwal-
tungstätigkeit ist der Erreichung dieses Zieles
gewidmet, von der Aufstellung eines Grund St Ka-
tasters und der dazu gehörigen Heberollen bis zu
den Anordnungen über den Dienst der Grenzauf-
seher. Nicht minder ist die St Verwaltung berufen,
die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Sinne
des Gesetzgebers zu wahren, und die Aufgaben,
die ihr hierbei erwachsen, werden um so mannig-
faltiger, je mehr bei Anwendung des gesetzlichen
Maßstabes der individuellen Beurteilung des ge-
gebenen Falles anheimgestellt ist [U Steuer-
Verwaltung .
#8 Finanzpolitische und verwaltungspoli-
tische Grundsätze der Bestenerung. Als finanz-
politische Grundsätze der Besteuerung gelten
der Grundsatz der Ausreichendheit und der Be-
weglichkeit der St.
Die Besteuerung muß in der Regel so ausgiebig
sein, daß sie den in einer Finanzperiode gegebenen
Finanzbedarf deckt, soweit andere Deckungsmittel
dafür fehlen oder unzulässig erscheinen (Grundsatz
der Ausreichendheit). Allerdings kann diese