10 Abgaben
— —
Ausreichendheit nicht durch eine spezielle gesetzliche
Anordnung gewährleistet werden; Voraussetzung
der Geltendmachung dieses wichtigen finanzpoli-
tischen Gesichtspunkts ist, daß alle maßgebenden
Faktoren sich angelegen sein lassen, ein dauerndes
Defizit im Staatshaushalt durch entsprechende
Handhabung der St Gesetzgebung nicht aufkommen
zu lassen und damit die Borgwirtschaft für nicht
rentierende Verausgabungen, wie sie sich in steigen-
dem Maße bisher im Deutschen Reich leider ent-
wickelt hatte, zu verhindern.
Die Besteuerung soll so eingerichtet sein, daß
sie mindestens in einzelnen Bestandteilen eine vom
wechselnden Willen des Gesetzgebers abhängige
Beweglichkeit in der Höhe des Ertrags hat, damit
ohne zu große Schwierigkeit bei schwankendem
Ertrag anderer Bestandteile der Besteuerung jeder-
zeit das Gleichgewicht des Staatshaushalts mög-
lichst aufrecht erhalten werden kann. (Grundsatz
der Beweglichkeit.) Esist jedoch zu beachten,
daß die hierzu ausersehene St, falls sie ihrem Wesen
nach häufigen Wechsel des St Fußes überhaupt
verträgt (was bei manchen St, z. B. den Ertrags St
des bayerischen Haushalts, denen grundsätzlich eine
ähnliche Stellung zugedacht war, durchaus nicht
zutrifft und z. B. auch bei den Verbrauchs St nur in
geringerem Maße der Fall, wenn auch keineswegs
ausgeschlossen ist), nur bei mäßigen Schwan-
kungen im Ertrag anderer St und bei mäßiger Zu-
nahme des gesamten Staatsbedarfs ihren Dienst
tun wird. Handelt es sich um die Ausfüllung
großer Lücken, so wird man mit der beweglichen
St allein ohne sonstige Einführung neuer und
höherer St nicht ausreichen. Der in verschiedenen
zeitlichen Etappen eingetretene, am stärksten in der
jüngsten Zeit (für 1909) ausgeprägte gewaltige
Mehrbedarf des Reichs mit Einschluß des seinerzeit
aus Ueberweisungen gedeckten Mehrbedarfs der
Einzelstaaten wäre mit einer beweglichen St, z. B.
einer Reichseinkommen St, wohl nicht zu decken
ewesen. Was speziell den Haushalt des Deutschen
eiches anlangt, so ist bisher als allerdings wenig
befriedigendes Surrogat einer wahren St Beweg-
lichkeit die Beweglichkeit der Matrikularbeitrags-
leistung neben der viel ausgiebigeren bedenklichen
Aushilfe durch die Borgwirtschaft maßgebend ge-
wesen. Diese Beweglichkeit der Matrikularbeiträge
aber ist nach den Abschwächungen durch die Finanz-
reformen von 1906 und insbesondere von 1909 —
wenn auch die dauernde Bindung der Matrikular-
beiträge abgelehnt ist — voraussichtlich fernerhin
praktisch fast bedeutungslos.
Das begründete Mißtrauen in die Funktion der
Matrikularbeiträge als bewegliches Element des
Reichshaushalts hatte schon durch § 3 des G über
den Reichshaushalt v. 3. 6. 06 klassischen Aus-
druck gefunden, indem dort eine bis ins dritt-
folgende Rechnungsjahr sich erstreckende Stundung
der durch Ueberweisungen ungedeckten Matriku-
larbeiträge, soweit diese 40 Pf. auf den Kopf der
Bevölkerung betragen, verfügt war. Aus Anlaß
der Reichsfinanzreform von 1909 ist durch das
Gesetz betr. Aenderungen im Finanzwesen die
Leistungsunfähigkeit der Matrikularbeiträge als be-
wegliches Element der Reichseinnahmen voll zum
Ausdruck gebracht, indem unter Aufhebung der
vorerwähnten gesetzlichen Bestimmung aus dem
Jahre 1906 die fraglichen gestundeten Matrikular=
beiträge auf Reichsanleihe übernommen und im
ae die ungedeckten Matrikularbeiträge auf
80 Pfg. pro Kopf der Bevölkerung mit der Be-
stimmung festgesetzt wurden, daß zunächst für 1909
sich ergebende, diesen Satz überseeigende Matri-
kularbeitragsbeträge gleichfalls auf Reichsanleihe
zu übernehmen seien.
Als verwaltungspolitische Grund-
sätze der Besteuerung sind seit lange anerkannt:
1. Die Bestimmtheit der Besteuerung.
Der Pflichtige soll die von ihm zu tragende Last
kennen und genau berechnen können. Das Gegen-
teil dieses Grundsatzes ist in solchen steuergesetz-
lichen Bestimmungen verwirklicht, welche den ein-
steuernden Behörden gewisse diskretionäre Ent-
scheidungen nach subjektivem Ermessen zugestehen,
wie dies z. B. bei der geltenden aber zum Ab-
bruch bestimmten bayerischen Gewerbebesteuerung
(Gv. 9. 6. 99) der Fall ist.
2. Die Bequemlichkeit der StZahlung
nach Zeit und Ort. Bei Finanzmonopolen und
anderen indirekten St ist diese am größten; bei
direkten St ist sie durch die Zahl der St Kassen
und die Häufigkeit der außerhalb derselben statt-
findenden Hebetermine, auch durch geeignete Er-
leichterung von Teilzahlungen bedingt.
3. Möglichstgeringe Erhebungskosten.
Dieser Grundsatz kann im einzelnen Falle dem
vorhergehenden widersprechen. Die Statistik der Er-
hebungskosten muß übrigens sehr sorgfältig aufge-
stellt sein, wenn sie verlässige Resultate ergeben soll.
Wenn direkte und indirekte St verglichen werden,
wird bei ersteren meistens der bedeutenden Kosten
der ursprünglichen Einrichtung und der späteren Er-
neuerung (z. B. der Grund St Kataster) nicht gedacht.
8 9. Steuersystem. Direlte und indirelte Sten-
ern. Daß die Besteuerung mittelst einer einzigen
Steuer bei dem Umfang der heutigen Staats-
bedürfnisse nicht durchführbar ist, zeigt die Praxis
und ist auch von der Theorie anerkannt. An Stelle
der einzigen St tritt daher in allen Staaten eine
Mehrheit derselben oder ein St System.
Ueberblickt man die Vielheit der bestehenden St,
so tritt als ein hervorragender Unterschied der ein-
zelnen St Gattungen folgendes hervor. Bei einer
Reihe von St ist es die Absicht des Gesetzgebers, die
Pflichtigen nach ihrer allgemeinen Leistungsfähig-
keit oder nach ihrer besonderen, für bestimmte Er-
werbsquellen getrennt ermittelten bezw. ange-
nommenen Leistungsfähigkeit zur Verzeichnung zu
bringen und dann fortlaufend von diesen vorher
ermittelten St Pflichtigen in genau bestimmten
Zeiträumen vorher genau bestimmte StBeträge
einzuziehen. Es sind gewisse, verhältnismäßig dau-
ernde Zustände von Einkommen, Erwerb oder
auch Besitz, von denen der Staat sich ein zutref-
fendes Bild in den St Katastern und Heberollen
u verschaffen sucht. Die in den Rollen aufge-
hrten St Pflichtigen sind gewissermaßen die je-
weils ausdrücklich als Alimentationspflichtige des
Staates verzeichneten Personen.
Zahlreiche andere St knüpfen dagegen an ein-
zelne Vorgänge und Handlungen an oder auch an
einzelne Besitztatsachen untergeordneter Bedeu-
tung, welche in keiner Weise ein Bild der Ein-
kommens--, Vermögens= und Erwerbsverhältnisse
bieten. Bei den St dieser Art handelt es sich um
Benützung mehr oder minder vorübergehender Er-
scheinungen zur Erhebung eines StBetrages,
dessen Höhe nicht in durchgreifend die St Pflichtigen