Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Abgeordnete 15 
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schaften, die für die Stellung als A. gesetzlich ge- 
fordert sind (s. oben). Für die Mitglieder der ersten 
K kann in diesem Falle die Ausübung des Rechts 
auf Sitz und Stimme ruhen (z. B. Preußen, 
V 12. 10. 54 53 7. Vgl. Rönne = Zorn 1, 285). 
Im Zweifel wird die zur Prüfung der Legitima- 
tion der Mitglieder befugte K zu entscheiden haben. 
3. Für Mitglieder der ersten K, die auf Grund 
bestimmter Eigenschaften präsentiert oder berufen 
sind (Vertreter des grundbesitzenden Adels, der 
Universitäten, Städte) geht die Mitgliedschaft mit 
diesen Eigenschaften verloren (z. B. Preußen, 
Herrenhaus, V v. 12. 10. 54 8 8). 
4. Verzicht. Soweit der Erwerb frei ist (s. o.), 
ist auch freie Verzichtbarkeit anzunehmen. Doch 
ist die Frage für die Mitglieder der ersten K nur 
auf Grund der Sonderbestimmungen für die ein- 
zelnen Kategorien von Mitgliedern zu beant- 
worten. Wo die Annahme nicht frei ist, wird auch 
die Befugnis zum Verzicht im Zweifel nicht ge- 
eben sein (ogl. Meyer-Anschütz 309 gegen 
Felline k, System der subjekt. öffentl. Rechte 
166 f). In Preußen besteht Streit über das Recht 
der Mitglieder des Herrenhauses zu verzichten 
(ogl. Rönne = Zorn 287 f). In Baden ist der 
Verzicht durch § 39 der Verf Novelle v. 24. 8. 04 
ausdrücklich anerkannt. 
5. Für die zweiten K nach den meisten Verf 
durch den Eintritt in den Staats- oder Hofddienst, 
oder Beförderung darin (a 212 RV. Uebersicht 
der sonstigen Verf Bestimmungen bei Meyer- 
Anschütz 323; vgl. für Preußen Rönne- 
Zorn 335fff). Die gleiche Wirkung hat auch das 
Eintreten von Inkompatibilitäten, wie für die 
preußischen A. die Berufung in das Herrenhaus 
(a 78), der Eintritt in die Oberrechnungs K (a 74), 
für die KITA. die Mitgliedschaft im BR (RV 
a 9). 
6. Verlust zur Strafe, entweder auf Grund ge- 
richtlichen Urteils (Aberkennung der bürgerlichen 
Ehrenrechte 8 32ff RStGB; Verlust der aus 
öffentlichen W hervorgegangenen Rechte §# 81, 
83, 87—90, 95 RStGB; für nichtgewählte Mit- 
glieder der ersten K ruht die Ausübung während 
der im Urteil bestimmten Zeit des Verlustes der 
bürgerlichen Ehrenrechte § 344 RStoh); oder 
kraft Beschlusses der K, wo ihr zum Zwecke der 
Disziplin (s. u.) gesetzlich dazu die Macht gegeben 
ist z. B. Bayer. G 19. 1. 72 a 27, 28; Hessen G 
I7. 6. 74 à 55; Braunschweig G 22. 11. 51 8215). 
In Preußen kann das Herrenhaus mit Königlicher 
Bestätigung ein Mitglied wegen Unwürdigkeit aus- 
schließen (§9 V v. 12. 10. 54) oder bei eingeleiteter 
Untersuchung oder aus sonstigen wichtigen Grün- 
den suspendieren (I 10 daselbst). 
z 4. Die persönliche Rechtsstellung der Abge- 
ordueten. Die persönliche Rechtsstellung wird durch 
die Verf, sonstige G und die Normen der GeschO 
der K bestimmt. Auch eine gewohnheitsrecht- 
liche Entwickelung ist natürlich nicht ausgeschlossen. 
Für den RIT gelten nur Normen des Reichsrechts, 
für die LT des Reichs= und Landesrechts. Durch 
diese Normen werden subjektive öffentliche Rechte 
der A. begründet. Das wird bestritten von La- 
band 1, 329 f, der speziell aus den zum Schutze 
der Reichstagsmitglieder gegebenen Strafrechts- 
und Prozeßnormen subjektive Rechte nicht her- 
leiten will. (UBgl. dagegen vor allem Jellinek, 
System der subjektiven öffentl. Rechte 158 ff 
  
  
  
—. 
und Meyer-Anschütz 334.) Die Lösung 
wird natürlich von dem Begriff des subjektiven 
öffentlichen Rechts, den man zu Grunde legt, ab- 
hängen. Nimmt man ein solches als vorhanden 
an, wo einem Rechtssubjekt durch Normen des 
öffentlichen Rechts ein Anspruch gegeben ist, dem 
Rechtspflichten anderer korrespondieren, so kann 
die Bejahung nicht zweifelhaft sein. Verpflichtet 
sind hier namentlich die anderen Staatsorgane. 
Die entgegengesetzte Anschauung scheint von einem 
zu engen, dem Privatrecht entnommenen Begriff 
des subjektiven Rechts auszugehen, bei dem der 
Ton auf die Verfügbarkeit und Klagbarkeit, sowie 
auf den Zweck der Rechtsnorm gelegt wird. 
Uebrigens sind diese subjektiven öffentlichen Rechte, 
auch wenn sie nicht klagbar sind, durch den wirk- 
samen Schutz der K selbst genügend sanktioniert 
(Jellinek). 
Diese Rechte der A. sind in erster Linie solche 
auf Teilnahme am Staate, in besonderer staat- 
licher Organstellung, in deren Dienst Rechte auf 
staatlichen Schutz, sowie finanzielle Rechte stehen. 
Sie haben als Korrelat einen Komplex von Pflich- 
ten, die als besondere Anwendungen der allge- 
meinen Treuepflicht der Untertanen gegenüber 
dem Staate sich darstellen und analog den Pflich- 
ten oberster Organe vielfach der rechtlichen Sank- 
tion entbehren. Als eigentümliche Rechtspflichten 
erscheinen die Unterwerfung unter die geschäfts- 
ordnungsmäßige Disziplin und die Teilnahme- 
pflicht. 
Die Rechtsverhältnisse im ein- 
zelnen sind folgende: 
1. Das Recht auf Teilnahme ist 
ein subjektives öffentliches Recht des A., das für 
den Einzelnen soweit geht, wie die Zuständigkeit 
der K, der er angehört, und an die gesetzlichen oder 
geschäftsordnungsmäßigen Formen der Geltend- 
machung gebunden ist. Dieses Recht findet be- 
sonderen strafrechtlichen Schutz (Steo B 105, 
106, 3392). Ihm dienen auch die Vorschriften, 
daß die Mitglieder einer deutschen gesetzggebenden 
Versammlung die Berufung zum Geschworenen- 
oder Schöffenamt sowie als Beisitzer des See- 
amts ablehnen dürfen (GVG 8§/ 35, 85, Gv. 
27. 7. 79 9 10); ferner daß Beamte eines Urlaubs 
zum Eintritt in den RT nicht bedürfen (a 21 RB 
„Beamte“ sind Reichs-, Staats- und Kommunal-= 
beamte. Vgl. die Literatur darüber bei Meyer- 
Anschütz 444). Auch die meisten einzelstaatlichen 
Verf oder WG befreien den gewählten Beamten 
von der Pflicht Urlaub nachzusuchen (so die Pr. 
Verf a 78, Bayern W 9. 4. 06 a 35. Ausnahmen, 
z. B. Sachsen Verf § 75 f. Meyer-Anschütz 
316). Die A. sind aber auch zur Teilnahme ver- 
pflichtet und bedürfen nach den Gesch O im Falle 
der Verhinderung des Urlaubs durch den Präsiden- 
ten oder die K. Die disziplinäre Ahndung von 
Verletzungen der Teilnahmepflicht geht nach ei- 
nigen Landesrechten bis zur Entziehung der Mit- 
gliedschaft z. B. Bayern G v. 19. 1. 72 à7, 28; 
Hessen G v. 17. 6. 74 a 55). 
2. Die freie Meinungsäußerung 
der A. gilt als ein allgemein anerkannter Grund- 
satz der modernen Repräsentativ Verf. Die daraus 
sich ergebenden Privilegien wie die straf- und 
zivilprozessualen der A. (s. u.) werden unter dem 
Gesamtnamen Immunität häufig zusam- 
mengefaßt.
	        
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