oberherrlichen Recht der Minderung oder Mehrung
unterliegen, um stets im gemeinen Einklang mit
dem Staatswohl erhalten werden zu können“.
Aber erst nach mannigfachen Verhandlungen
und einem Provisorium von 1821, die Einführung
von Gemeindeausschüssen betreffend, inaugurierte
die Gemeindeordnung v. 31. 12. 31 für alle Ge-
meinden eine Aera moderner Selbständigkeit und
Selbstverwaltung, anerkannte nach dem Ausdruck
des von Mittermaier erstatteten Kommissions-
berichts die freie „Persönlichkeit der Gemeinde“,
beschränkt nur durch eine auf das Gesetz gegrün-
dete staatliche Aufsicht, und errichtete in den Ge-
meinden „die Vorschule des konstitutionellen Le-
bens im Staate“. Bestellung der Gemeindeorgane
durch allgemeine Wahlen und Einschränkung des
Bestätigungsrechts der Regierung waren damit
verbunden.
Reaktion und Revolution sind abwechselnd an
der Gemeindeordnung und nicht ohne Einwir-
kung vorübergezogen, und, durch eine Fülle von
Nachtragsgesetzen verändert, neue Veränderungen
erwartend, steht sie heut vor uns. Aber
im ganzen ist auch hier der Fortschritt zu einer
immer größeren Freiheit und Selbständigkeit
des Gemeindewesens, unbeschadet der Interessen
einer wohlverstandenen Staatseinheit, verwirk-
licht worden. In dieser Richtung ist insbesondere
auch für die — bis jetzt 10 — größten Städte des
Landes seit 1874 ein teilweises Sonderrecht ge-
schaffen worden, welches zugleich an die Stelle
der früheren beschränkten Bürgergemeinde die
konsequente Durchführung der Einwohnergemeinde
gesetzt hat. Der durch die hier maßgebenden No-
vellen veränderte Text der Gemeindeordnung
wird als „Städteordnung“ bezeichnet.
2. Erst der neueren Zeit gehören auch in B.
die Gedanken der Durchführung kommunaler
Selbstverwaltung auf den höheren Verwaltungs-
stufen, der Beteiligung der Staatsbürger auch an
den staatlichen Verwaltungsämtern im Sinne der
staatsbürgerlichen Selbstverwaltung und der Ver-
waltungsgerichtsbarkeit an. Sie haben ihre Wur-
zeln in dem bedeutsamen Gesetze v. 5. 10. 63 über
die Organisation der innern Verwaltung. Dieses
Gesetz war es auch, welches durch Beseitigung der
für einen Staat wie B. entbehrlichen Mittel-
instanzen (Kreisregierungen) die örtlichen Staats-
behörden (Bezirksämter) unmittelbar dem Min
unterstellte und ihnen im Sinne der Dezentrali-
sation einen weiten Kreis selbständiger Wirksam-
keit verschaffte. An diese Bezirksämter knüpft die
Formation der staatsbürgerlichen Selbstverwal-
tung an, indem aus dem Beczirksamtmann als
Vorsitzenden und 6—9 Mitgliedern im Ehrenamt
ein Bezirksrat als staatliche Beschlußbehörde in
Verwaltungsangelegenheiten gebildet wird, welche
zugleich zur ersten Instanz einer damals neu ge-
schaffenen Verwaltungsgerichtsbarkeit berufen ist,
die ihrerseits wiederum in einem Verwaltungs-
gerichtshof ihre Spitze findet. Die Kreise aber
wurden in B. lediglich als weitere Kommunal=
verbände ausgestaltet, deren Organe, Kreisver-
sammlung und Kreisausschuß, zur Ergänzung der
Einzelgemeinden eine fruchtbare Wirksamkeit ent-
falten. (Näheres unter B. Behördenorganisation.)
Liüteratur: Zu 4 1, 2, 3 vgl. Rosin, Badische
Bersfassungsgesetze (1887), Einleitung I, II und die
Baden (Verfassungsentwicklung — Behördenorganisation)
dort zitierte Literatur; serner zu § 1 namentlich Heyck,
Geschichte der Herzoge von Zähringen (1891) und Fehr,
Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau (1904);
auch die Freiburger Dissertation von Rieder, Herzog
Berthold I. von Zähringen (1906), sowie Brunner,
Badische Geschichte (Sammlung Göschen, 1904); Martens,
Badische Geschichte (1909) und Walz, Staatsrecht des
Großherzogtums Baden (1909) 1 1, die beiden letzten
nach Abfassung des Art. erschienen. — Zu 1 8 vor
allem v. Weech, Geschichte der badischen Berfas-
sung nach amtlichen Quellen (1868). — Zu 3& 4 und 6: Ro-
sin, Badisches Staatsrecht um die Geburtszeit Großherzog
Friedrichs, im Festprogramm der Freiburger Universität
zum 70. Geburtstag Großherzogs Friedrichs (1896), sowie
desselben Berfassers „Staatsrecht und Rechtsstaat in B.
unter Großherzog Friedrich“, in „Alemannia“ N. F. III
Heft 1/2. Dazu die in der erstgedachten Schrift zitierte
Literatur, namentl. Weizel, Das badische Gv. 5. 10. 63
(1864); Kopp, Die Gesetze und Berordnungen über die
Organisation der inneren Berw (1896); Ströbe, Die ge-
setzgeberische Entwicklung der badischen Gemeindeverfassung
(Freiburger Diss., 1894). — Zu 1 5: Glockn er, Bad.
Verfassungsrecht (1905). Nosin.
B. Behördenorganisation
11. I. Geschichtliches: 1. Die zentralen Oberbehör-
den; 2. Die Mittelbehörden; 3. Die örtlichen Staatsbehör=
den. II. Die jetzige Berwaltungsorganisation:
* 2. Im allgemeinen. 3 3. Das Geheime Kabinett. 1 4. Das
Staatsministerium. 5 5. Die einzelnen Ministerien und Zen-
tralmittelstellen. 6. Beratende Zentralorgane. 1 7. Die
Landeskommissäre. 1 8. Die brtlichen Staatsbehörden.
##9. Behörden zur Rechtskontrolle und zur Entscheidung von
Kompetenzkonflikten.
g 1. IJ. Geschichtliches.
1. Die zentralen Oberbehörden.
Die aus einer größeren Anzahl rechtsrheinischer
und wenigen linksrheinischen Gebietsbruchstücken
zusammengesetzte badische Markgrafschaft ist nach
Abtretung der linksrheinischen Besitzungen durch
den ihr namentlich in den Jahren 1803 bis 1806
im Reichsdeputationshauptschluß, im Preßburger
Frieden und in der Rheinbundakte gegebenen
Landzuwachs als Großherzogtum B. zu einem
abgerundeten, den früheren Gebiets= und Ein-
wohnerbestand ums Mehrfache übersteigenden
Staatswesen ausgestaltet worden.
a) Ministerialorganisation. Das
nach der'Organisation der badischen Markgraf-
schaft als oberste Staatsbehörde bestellte Ge-
heimeratskollegium wurde 1808 in fünf Ministe-
rien, für Auswärtiges, Justiz, Inneres, Finan-
zen und Krieg gespalten. Diese Ministerialorga-
nisation blieb in der Folge im wesentlichen be-
stehen; nur kam in dem Zeitraum von 1860—1881
ein aus dem Geschäftskreis des Min Inn abge-
löstes Handels Min (für Handel, Gewerbe, Ver-
kehrswesen und Landwirtschaft) hinzu; 1871 wurde
mit Uebertragung der Kontingentsverwaltung an
Preußen das Kriegs Min aufgehoben, ebenso das
selbständige Min des großherzogl. Hauses und der
auswärtigen Angelegenheiten; nachdem dessen
Geschäfte zunächst der Hauptsache nach mit dem
Justiz Min verbunden worden waren, wurde seit
1876 die Besorgung der auswärt. Angel. dem
schon seit 1871 mit den die Beziehungen zum