Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Ablösung der Reallasten (Preußen) 
Gemeinde und den Staat. Auch das Kreditbedürf- 
nis fũhrte zur Begründung von RL (Renten, Gül- 
ten). — Häufig ist das Recht auf die RL an den 
Besitz eines Grundstücks geknüpft, so daß es nur 
mit dem berechtigten Grundstück übertragen wer- 
den kann; solche RL sind regelmäßig die — dem 
Herrenhofe zu leistenden — bäuerlichen Dienste 
(Scharwerk, Fronden, Roboten, Hand= und Spann- 
dienste) Auch nach dem BGB ( 1110) kann eine 
zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines 
Grundstücks bestehende RL nicht von dem Eigen- 
tum an diesem Grundstück getrennt werden, selbst- 
verständlich kann sie daher nur mit diesem zusam- 
men belastet werden und geht auf jeden neuen 
Eigentümer mit dem Erwerbe des Eigentums über. 
2. Die Aufhebung der RL durch G und die Abl, 
womit es die folgende Darstellung zu tun hat, 
betrifft diejenigen beständigen Rs, deren 
Fortdauer mit den Grundsätzen richtiger Volks- 
wirtschaft und fortgeschrittener Staatsentwickelung 
unverträglich schien. Demgemäß ist seit dem An- 
fange des Jahrhunderts in allen deutschen Staaten 
eine große Zahl von RL ohne Entschädigung der 
Berechtigten aufgehoben, andere RL sind für ab- 
lösbar erklärt worden. Von der Abl ausgeschlossen 
blieben im allgemeinen Leistungen, welcheg auf 
Titeln des öffentlichen Rechts beruhen (an den 
Staat, die Gemeinden und andere öffentliche Kör- 
verschaften); der Abl wurden unterworfen die 
bäuerlichen und andere Lasten des Grundeigen- 
tums, welche der Ld Kult hinderlich waren. Bei der 
Abl ist der Regel nach zunächst die freic Verein- 
barung der Beteiligten maßgebend, wenngleich 
diese im landespolizeilichen Interesse von der zu- 
ständigen Staatsbehörde zu prüfen und zu be- 
stätigen ist [] Auseinandersetzungen 
5#§ 7, 12, 271. Auf gesetzlichem Wege erfolgt die 
Abl dadurch, daß der Besitzer des belasteten Grund- 
stücks nach vorgängiger Feststellung des Werts der 
K2 den Berechtigten in Kapital oder durch eine 
während einer bestimmten Reihe von Jahren zu 
entrichtende Geldrente abfindet. 
Die aufgehobenen oder für ablösbar erklärten 
K dürfen nach den Ggebungen der meisten Staa- 
ten nicht mehr neu begründet werden. Nach der 
preußischen Ggebung (mit Ausnahme der Provinz 
Hannover) können mit Ausnahme fester Geldren- 
ten beständige Abgaben und Leistungen einem 
Grundstück als RL nicht auferlegt werden. Neu 
auferlegte feste Geldrenten können nach Cmona= 
tiger Kündigung, die höchstens für 30 Jahre aus- 
geschlossen werden darf, mit dem 20fachen Be- 
trage abgelöst werden. Durch dieses Verbot wer- 
den aber Kreditinstitute sowie die Vorschriften über 
Rentengüter nicht getroffen (AblG v. 2. 3. 50 
— GS77 3 91; Gv. 28. 5. 60 — GS 221 — 
18; Gv. 15. 2. 72 — GS 165 — 7+ 13; Gv. 
3. 1. 73 — GS 3 — 554; Gv. 23. 7. 76 — GS 
357 — 125; Preuß. AEG z. BGB a 30 u. 89 
Nr. 15). In der Provinz Hannover ist bei der 
Beräußerung von Grundstücken die Neubegründung 
von NR0, die nicht nur in festen Geldrenten, son- 
dern auch in Abgaben von reinen Körnern und 
nutzbaren Erdarten sowie in Naturaldiensten be- 
stehen können, gestattet, ihre Unablösbarkeit kann 
hier so wenig wie in den andern Provinzen ver- 
cinbart werden (Hannoversche V v. 23. 7. 33; 
Vv. 28. 9. 67 — GS 1670 —;: V v. 3. 4. 69 — 
G 554 —9 unten # 18. Rd2, deren Neubegrün- 
  
  
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dung verboten ist, können auch durch Verjährung 
nicht mehr erworben werden. 
#2. Plau der Tarstellung. Sowohl für die 
geschichtliche Entwickelung der Grundentlastung in 
Preußen als auch für das geltende Recht 
müssen die nachstehenden Landesteile der Monar- 
chie unterschieden werden: 
I. die älteren Landesteile, die zur Zeit der Ver- 
kündung des G v. 2. 3. 50 über die Abl der RL 
und die Regulierung der gutsherrlichen und 
bäuerlichen Verhältnisse die Monarchie aus- 
machten, d. s. (nach jetziger Einteilung) die 
Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Bran- 
denburg, Pommern, Schlesien, Posen, Sach- 
sen, Westfalen und die Rheinprovinze 
der Reg Bezirk Kassel — ausschließlich der zu 
ihm gehörigen vormals Großherzoglich hessi- 
schen Gebietsteile 1) (§ 12); 
der Reg Bezirk Wiesbaden und die zum Reg- 
Bezirk Kassel gehörigen, vormals Großherzog- 
lich hessischen Gebietsteile (S§# 13, 14); 
IV. die Provinz Schleswig-Holstein und der Kreis 
Herzogtum Lauenburg (§# 15, 16); 
V. die Provinz Hannover (F§ 17—19); 
VI. die hohenzollernschen Lande (§ 20). 
II. 
III. 
I. Die älteren Landesteile Preußens 
A. Geschichtliche Entwickelung 
83. 1. Aufhebung der Gutsuntertänig- 
keit. Die Gutsuntertänigkeit — Leibeigenschaft, 
Gutspflichtigkeit, — deren Aufhebung schon unter 
den Königen Friedrich Wilhelm 1, Friedrich d. 
Gr. und dessen Nachfolgern vorbereitet war2), 
wurde zuerst auf den königl. Domänen durch die 
Vv. 29. 12. 1804 und die Kab O v. 28. 10. 1807 5), 
dann allgemein durch das Ed. v. 9. 10. 1807") 
ohne Entschädigung aufgehoben. Das Edikt, das 
für den Umfang der Monarchie nach dem Tilsiter 
Frieden erlassen war, ist mit dem ALR — als 
ein dasselbe abänderndes und ergänzendes G — 
auch in den neu= und wiedererworbenen Landes- 
teilen, für die das AL gilt, in Kraft getreten, 
d. i. in allen älteren Landesteilen mit Ausnahme 
derjenigen, in welchen das gemeine deutsche oder 
französisches Recht gilt. In den letztgedachten 
Landesteilen war die Leibeigenschaft bereits, ehe 
sie an Preußen kamen, beseitigt 2). A Agrarge- 
setzgebungl. 
4) Die durch die V. v. 22. 2. 67 (GS 273) gebildeten 
RegBez. Kassel und Wiesbaden sind durch AE v. 7. 12. 68, 
GS 1056) zur Provinz Hessen--Nassanu vereinigt. 
— Acgen der vormals Großh. hessischen Gebietsteile val. 
unten Anm. bei 1 12 und vor 4 13. 
2) Val. u. a. Ed. v. 8. 12. 1748 (Korn, Schles. Prov.-G, 
T. 1, 231): B. v. 8. 11. 1773 (v. Rabc, Samml. preuß. G 
1, 776); Kab.-Besehl v. 20. 2. 1777 (Lemann u. v. 
Strombeck, Prcuß. Prov.-Recht, Abt. 2, 168); Ed. v. 
11. 3. 1787 u. Justruktion v. 14. 8. 1799 (v. Rabe 5, 531; 
10, 47); Dekl. v. 25. 3. 1790 (Nov. Corp. Const. T. 8, 2907 
Nr. 19 de 1790) und (über die Patente v. 10. 7. 1719 und 
  
  
24. 3. 1723). Vv. 29. 12. 1804 (v. Rabes, 232). 
2) Vgl. v. Rabes, 232u. 9, 88; Nov.Corp.Const. T. 12,257. 
") G 171; Norv. Corp. Const. T. 12, 251; v. Rabey, 85. 
*) Näheres bei Greiff, Die preuß. G über Ld Kult, 
22 Anm. 2; Leite u. v. Rönne, Die LoKult GEgebung 
des preuß. Staates 2, 27—29, 53 ff.
	        
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