Begnadigung
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b) hinsichtlich der Aufhebung der Wirkung der
auf Grund des 8 40 RStGB ausgesprochenen
Nebenstrafe der Einziehung (Allerh. Staatsmini-
sterialentschließung v. 13. 9. 09). Außer Uebung
gekommen ist die dem Justizminister
übertragene B. wegen Eigentumsvergehen zu
Freiheitsstrafe Verurteilter, welche die Hälfte der
Strafe erstanden haben, unter der Be-
dingung der Auswanderung. Zu-
gleich konnten diesen die Untersuchungs= und
Straferstehungskosten ohne Rücksicht auf den
Betrag nachgelassen werden (Schriftl. Erl des
Justiz Min v. H. 7. 61).
Durch § 8 Abfs 2 der V v. 4. 8. 09, die Herbei-
führung der Vollstreckung gerichtlich erkannter
Geldstrafen betreffend, ist das B. Recht bezüglich
der nach §§ 140, 360 Ziff. 3 RStGGB ausgespro-
chenen Geldstrafen unter gewissen dort näher be-
zeichneten Voraussetzungen sogar den Finanz-
ämtern übertragen worden.
Gemäß Ziff. 3 der Allerh. Staatsministerial-
entschließung v. 25. 5. 81 (Bek des Finanz Min
v. 3. 6. 81) ist die Zoll- und Steuerdirek-
tion gemäß der landesherrl. V v. 22. 3. 38, den
Rekurs zur Gnade in Zoll= und Steuerstrassachen
betreffend, zum Strafnachlaß bis zur Höhe von
300 Mk., außer dem Wert des Konfiskats, ermäch-
tigt. Durch Allerh. Staatsministerialentschließung
v. 24. 1. 06 (Bek d. Finanz Min v. 30. 1. 06) ist
diese Summe bis zu eintausend Mark erhöht.
VI. Für Oldenburg (Fürstentum Birken-
feld) ist z. B. darauf hinzuweisen, daß nach dem
Regl v. 3. 3. 80 §8 bei den Amts= und Schöffen-
gerichten der Amtsrichter, unhbeschadet
der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, ge-
richtlich erkannte Ordnungs-(Disziplinar-) Geld-
strafen erlassen kann, wenn der Betrag die Summe
von 10 Mk. nicht übersteigt. Nach § 9 kann der
gleiche Richter — unbeschadet des § 6 des Ge-
richtskostengesetzes — Kostennachlässe a) bis zu
30 Mk. aus Billigkeit, b) bis zu 50 Mk. bei zweifel-
haftem Recht und Möglichkeit des Vergleichs bei
Eintreten des Erlasses vornehmen. Eine Befri-
stung der Gerichtskostenerstattung durch die Ver-
waltungsbehörden ist möglich (Z für
Verw u. Rechtspflege im Großherzogtum Olden-
burg 7, S 131, 135).
VII. Schwarzburg-Rudolstadt scheint
den Justiz= und Verwaltungsbehör-
den bezüglich der von ihnen in Ausübung der
ihnen zustehenden Ordnungspolizei verhängten
Ordnungsstrafen ein B. Recht eingeräumt zu
haben (vgl. Schwartz §§ 2 und 6 in Bibliothek des
öffentl. Rechts hg. v. Scholz und Storck).
VIII. Nicht veröffentlicht sind die Delegations-
bestimmungen in Hessen und scheinbar in
Mecklenburg ((. auch oben zu Sachsen).
Nach den erhaltenen Auskünften ist eine Dele-
gation des Gnadenrechts nicht bekannt in Ham-
burg. Eine Delegation findet nicht statt im
Großherzogtum Sachsen und im Her-
zogtum Braunschweig. Wohl auf B.
i. e. S. zu beschränken. Bezüglich der gnaden-
weisen Beurlaubung von Strafgefangenen vgl.
das Herzogl. Reskript v. 20. 7. 01, I. Abs 2 mit
dem Hinweis auf die Höchste Vsig v. 9. 5. 92
Nr. 3946 (3 f. Rechtspflege 39, 65).
IX. Dagegen sind für Elsaß-Lothringen
noch einige Delegationsfälle des Gnadenrechts
mitzuteilen. Teilweise Delegationen sind erfolgt
auf Grund des R v. 4. 7. 79 5 1, wonach der
Kaiser landesherrliche Befugnisse, die ihm kraft
der Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Loth=
ringen zustehen, einem Statthalter über-
tragen kann. In dieser Hinsicht ist, nachdem früher
schon solche VV unter dem 23.7.79, dem 28. 9. 85
und dem 5. 11. 94 ergangen waren, anzuführen
die Allerh. V. 23. 11.07. Hiernach (Ziff. 2) steht
dem Statthalter die Befugnis zum Erlasse
von Geldstrafen und sonstigen Vermögensstrafen
oder Vermögensnachteilen zu, welche durch ge-
richtliche Entscheidung oder im Verwaltungswege
verhängt sind, und die Befugnis zur Gewährung
von Rehabilitation.
Nach dem G v. 24. 7. 07 § 60 ist das Mini-
sterium befugt, Geldstrafen, die im Verwal-
tungsstrafverfahren rechtskräftig verhängt wor-
den sind, nebst Vertretungsverbindlichkeiten usw.,
sowie die Kosten des Verfahrens zu erlassen oder
zu ermäßigen. In bestimmt festzusetzenden Gren-
zen kann das Min diese Befugnisse den ihm un-
terstellten Behörden und Beamten
übertragen.
V. Grundlinien des Verfahrens
Vollständigkeit ist nicht erstrebt, da sie im Rah-
men dieses Beitrages unmöglich ist: soweit nicht
die einzelnen Verordnungen, Erlasse usw. aus-
drücklich angeführt sind, finden sie sich größten-
teils in den am Schlusse des Artikels angeführten
Quellensammlungen.
5#11. Begnadigungsbverfahren.
a) Das Begnadigungsgesuch und
dee Begnadigungsvorschlag ex of-
icio.
1. Zu einem Gnaden gesuch legitimiert ist
wie der Verurteilte so auch jeder Dritte (vgl.
Braunschweig. Reskript v. 20. 7. 01). Württem-
berg nennt ausdrücklich den Verurteilten, jeden
von ihm Beauftragten, dessen Verwandte, Ver-
schwägerte gerader Linie und dessen Vormund
(Kgl V v. 25. 9. 79).
Begnadigungs vorschläge von Amts wegen
kennt die preuß. Justiz Verw in Auswanderungs-
sachen (Zirk. Vg v. 5. 7. 68 und 8. 2. 94; Müller
S 1790/91). Für Bayern sind zu vergleichen die
Justiz Min Erl. v. 16 4. 58 und Febr. 1907 (nach
Bretzfeld). Hessen schreibt den Strafvollstrek-
kungsbehörden, sowie unter bestimmten Um-
ständen den Strafanstaltsbehörden die Prüfung
einer etwaigen Veranlassung eines Gnaden-
gesuches in weitem Umfang vor. So für alle jene,
auf welche die Bestimmungen des StEG über
vorläufige Entlassung keine Anwendung finden:
nach Erstehung von 34, unter Umständen schon
nach Erstehung der Hälfte der Strasfzeit vor (Afg
an die Oberstaatsanwälte v. 21. 1. 91; Min fPg
v. 22. 6. 91; vgl. auch Vsig v. 19. 5. 06). Diese
Vorschriften waren durch die Ueberfüllung der
hessischen Strafanstalten veranlaßt. Diese ist
durch Neubauten behoben. Immerhin herrscht
infolge dieser Normen ein Zustand, der dem-
jenigen entspricht, welcher bei unbestimmtem
Strafurteil mit Fixierung der Maximalstrafgrenze
eintreten würde.
Die Vorlegung der Verurteilungen zur
Todesstrase zwecks Ermöglichung einer eventuellen