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den Rücksicht zu nehmen. Der Etat baut sich in
dem geordneten Staatswesen zum erheblichen Teil
gewissermaßen von unten auf. Alle Zweige der
Staatsverwaltung treten mit ihren Bedürfnissen
hervor, welche bei den Spitzen der einzelnen Ver-
waltungsabteilungen nach Prüfung dervorgelegten
Anträge seitens der Zwischenbehörden gesammelt,
nochmals geprüft und endlich durch Verhand-
lungen der höchsten Behörden untereinander fest-
gestellt werden. Während bis dahin jeder Ver-
waltungszweig seine Interessen ausschließlich im
Auge behalten hat, greift bei dieser letzten regic-
rungsseitig vorzunehmenden Prüfung das all-
gemeine Staatsinteresse entscheidend ein, haupt-
sächlich vertreten durch den Finanzminister oder die-
jenige Stelle, welche das Finanzinteresse zu wahren
hat. Erst an dieser letzten Stelle ist man in der Lage,
das Verhältnis der Gesamtausgaben des Staats
zu den Gesamteinnahmen zu beurteilen und das
Gleichgewicht zwischen denselben herbeizuführen.
Man sagt wohl: der Unterschied zwischen dem
geregelten Privat haushalt und dem Staats-
haushalt besteht darin, daß der erstere seine Aus-
gaben nach den Einnahmen einrichten muß, der
letztere dagegen seine Einnahmen auf das Aus-
gabebedürfnis hinaufzubringen hat. Diese Ansicht
ist nur mit einer gewissen Beschränkung richtig.
Es muß doch auch im Staatshaushalt auf die
Möglichkeit der zweckmäßigen Beschaffung der
Einnahmen bei Einstellung der Ausgaben sehr
wesentlich Rücksicht genommen werden. Es gibt
heute keinen Staat, welcher nicht zur Beschaffung
der Einnahmen auch auf die Steuern, d. h. auf
die Belastung der Staatsangehörigen angewiesen
wäre. Die Rücksicht auf dieses Verhältnis legt
die Verpflichtung auf, eine Überlastung mit
Steuern zu vermeiden, und zwar nicht nur im
Interesse der Steuerzahler, sondern mittelbar im
wohlverstandenen Interesse des Staats selbst.
dessen Leistungsfähigkeit von derjenigen der
Staatsangehörigen abhängig ist. Der Staat hat
also zu vermeiden, daß alle Kräfte in seinem ge-
wöhnlichen Wirtschaftsleben bis an die Grenze
des Möglichen angespannt werden, sonst würden
dieselben ausgehen in Zeiten außerordentlichen
Bedarfs, wo es sich um die Existenz des Staats
handeln kann. Anderseits ist aber auch nicht in
Abrede zu stellen, daß die Aufgabe der Staats-
verwaltung darin zu suchen ist, alles zu tun, was
zur Sicherheit und Ordnung sowohl als zur ge-
deihlichen Entwicklung nach verschiedensten Rich-
tungen hin erforderlich ist, und die Einnahmen
dementsprechend so weit zu steigern, als zur Er-
füllung dieser Zwecke nötig ist. Es wird aber,
namentlich auf dem Gebiet der Förderung wirt-
schaftlicher Interessen, eine Grenze geben, bei
welcher zweifelhaft wird, ob die durch die Aus-
gabe zu erhoffenden Vorteile die Mehrbelastung
der Steuerzahler mindestens aufwiegen.
In jedem Staatshaushalt wird man bei den
Ausgaben zwei große Gruppen unterscheiden
Staatshaushalt.
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können, deren Grenzlinie indessen durchaus nicht
immer klar erkennbar ist, die Gruppe der not-
wendigen und die der lediglich nützlichen
Ausgaben, während allerdings die betreffende
Eigenschaft bei einem großen Teil zweifelhaft er-
scheint. Soweit von keiner berufenen Seite die
Notwendigkeit bestritten ist, wird man die zu
diesem Zweck erforderlichen Einnahmen schaffen
müssen, wenn man nicht auf den Fortbestand des
staatlichen Lebens verzichten will, während man
bei den lediglich nützlichen Ausgaben die soeben
angedeutete Abwägung mit den Schwierigkeiten
der Beschaffung der Mittel eintreten lassen muß.
Unzweifelhaft notwendige Ausgaben sind z. B.
alle solche, welche auf rechtlicher Verpflichtung be-
ruhen. Zinsen für Staatsschulden müssen gezahlt
werden, will ein Staatswesen Vertrauen und
Achtung sich erhalten. Die Bezahlung der vom
Staat angestellten Beamten ist nicht minder ge-
boten. Als unbedingt notwendig sind ferner alle
Ausgaben zu erklären, welche zur Erfüllung klag-
barer Ansprüche dienen. Als Beispiel lediglich
nützlicher Ausgaben möge erwähnt sein die Unter-
stützung einer wissenschaftlichen Expedition. Als
Ausgabe, bei welcher die Einfügung in die eine
oder die andere Gruppe schon schwierig ist, kann
bezeichnet werden ein Kanalbau, ein Eisenbahn-
bau, um gewisse Gegenden wirtschaftlich zu er-
schließen, wenn die Kosten sehr hoch sind, der
Nutzen strittig ist.
Bei allen Staatsbetrieben (Eisenbahnen, Berg-
bau usw.) sind ferner Ausgaben in erheblichem
Umfang ganz unvermeidlich; ohne Betriebskosten
kein Betrieb. Fraglich ist hier wiederum die Not-
wendigkeit im einzelnen. Nicht nur von den Ein-
nahmen, sondern selbstverständlich auch von der
Höhe der zur Erzielung derselben aufgewendeten
Ausgaben hängt der Überschuß des Betriebs ab,
welcher zur Deckung der allgemeinen Staats-
bedürfnisse zur Verfügung steht. So wirkt na-
türlich die Höhe solcher Überschüsse darauf ein,
ob in den Staatshaushaltsetat ein höherer oder
geringerer Betrag von Steuern eingestellt werden
muß. Darin kommt das große Interesse der Fi-
nanzverwaltung auch an den Staatsbetrieben zum
Ausdruck.
Bei Einnahmen sowohl als bei Ausgaben wird
die Aufstellung des Staatshaushaltsetats durch
den Umstand beeinflußt, ob dieselben regelmäßig
wiederkehrende nach Art und wesentlich auch nach
Betrag sind, oder ob dieselben nach Art oder nach
Betrag oder auch nach beiden Gesichtspunkten nicht
regelmäßig, sondern nur einmal oder einige Male,
bis zur Erreichung des Zwecks oder bei Einnahmen
bis zur Erschöpfung der bestimmten Einnahme-
quellen, einzustellen sind. Man unterscheidet danach
ordentliche Einnahmen und Ausgaben und
außerordentliche bzw. einmalige; man spricht
von Ordinarium und von Extraordinarium.
Die Aufgabe eines guten Voranschlags ist so-
dann vor allem auch, daß derselbe in seinen Grund-