Bestattungswesen (Friedhöfe)
den Leichenpaß. Bei Leichentransporten aus aus-
ländischen Staaten, mit denen eine Vereinbarung
wegen wechselseitiger Anerkennung der Leichen-
pässe abgeschlossen ist (was z. B. für Oesterreich
und die Schweiz zutrifft), genügt die Beibringung
eines der Vereinbarung entsprechenden Leichen-
passes der nach dieser Vereinbarung zuständigen
ausländischen Behörde. Etwas besonderes gilt
für Transporte von Leichen an öffentliche höhere
Lehranstalten.
II. Die Regelung der Beförderung von Leichen
nach dem Bestattungsplatze des Sterbeortes, wie
überhaupt das eigentliche Beerdigungswesen ist
dem Landesrecht überlassen. Diese staat-
lichen Vorschriften betreffen zunächst die Lei-
chenschau und die Zeit der Beerd i-
gung. In einzelnen Staaten Deutschlands be-
steht amtliche Leichenschau, und die Beerdigung
darf nur auf Grund eines von dem amtlichen Lei-
chenschauer ausgestellten Totenscheines vorgenom-
men werden. So in Bayern, Sachsen,
Württemberg, Baden und Hessen.
Die größeren Gemeinden Preußens haben
die obligatorische Leichenschau vielfach im Wege
der Polizeiverordnung eingeführt (vgl. die Zu-
sammenstellung im Kommunalen Jahrbuch 1908
S 84. Erl betr. weitere Durchführung der obliga-
torischen Leichenschau v. 16. 6. 07). Auf Grund
des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung
gemeingefährlicher Krankheiten v. 30. 6. 00 8 10
kann bei den im Gesetze genannten Krankheits-
fällen die amtliche Besichtigung jeder Leiche an-
geordnet werden, und Preußen hat dies durch G#
v. 28. 8. 05 betr. die Bekämpfung übertragbarer
Krankheiten auf die dort im #& 6 aufgezählten
Infektionskrankheiten ausgedehnt. Das Reichs-
gesetz betrifft die Fälle von Aussatz, Cholera,
Fleckfieber, Gelbsicber, Pest, Pocken und trifft
außer der genannten Bestimmung noch weitere
einschneidende Maßregeln über Aufbewahrung
und Bestattung der Leichen. Das preußische Gesetz
hat solche Maßregeln auch für zulässig erklärt
bei Diphterie, Ruhr, Scharlach, Typhus, Milz-
brand, Rotz oder Tollwut.
Die Beerdigung darf in der Regel erst nach
einer Frist von 24 (Elsaß-Lothringen), 48 (Süd-
deutschland) oder 72 Stunden seit dem Tode
(Preußen, Sachsen, Hessen) stattfinden. Vgl. für
Preußen Erl v. 2. 3. 1827; für Bayern gelten die
Oberpolizeil. Vorschriften über die Leichenschau
und die Zeit der Beerdigung v. 29. 11. 85 (GBBl
655), ergänzt durch Oberpolizeil. Vorschr. v.
6. 12. 87 (GVl 690), und Min Bek v. 28. 3. 07
(GVl 227). Besonderes gilt natürlich in Fällen
von Epidemien. So schreibt z. B. die preuß.
Ausf. V zum R v. 30. 6. 00 in den dort genann-
ten Sterbefällen möglichst baldige Beerdigung vor.
In vielen Gemeinden ist die Einrichtung ge-
troffen, daß die Leichen bis zur Beerdigung in
öffentlichen Leichenhäusern untergebracht wer-
den, zu deren Errichtung im Königreich Sachsen
die Gemeinden durch G v. 20. 7. 50 verpflichtet
sind. Bisweilen ist durch ortspolizeiliche Vor-
schriften diese Benützung obligatorisch gemacht
und die Leiche wird nach Feststellung des Todes
innerhalb gewisser Frist in das Leichenhaus über-
führt. Die Unzuträglichkeiten, welche das auf rein
privatem Unternehmertum beruhende B. mit sich
brachte, hat manche Städte veranlaßt, das B.
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ganz oder teilweise selbst in die Hand zu nehmen.
gl. Kommunales Jahrbuch 1908 S 84 ff. Vgl.
auch den folgenden Paragraphen.
§6#2. Die Friedhöfe. 1. Als Ort der Bestattung
kommen in erster Linie die öffentlichen Fried-
höfe in Betracht. In besonderen Fällen, z. B.
für Familienbegräbnisse, wird davon Dispens
erteilt (ogl. ALR II, 11 J 186, 461; Bayern
Pol St GB a 61, V, die Errichtung und Benützung
von Grüften und sonstigen Begräbnisstätten
außerhalb der öffentlichen Kirchhöfe betr. v. 14.
10. 62 (Reg Bl 2311); Sachsen G v. 20. 7. 50 § 6;
Württemberg V v. 24. 1. 82 5l 17; Baden V v.
16. 12. 75 5 13; Hessen Pol St GB a# 363). Dage-
gen kann nach französischem Rechte Jeder auf
seinem Eigentum beerdigt werden, wenn dasselbe
in der vorgeschriebenen Entfernung von bewohn-
ten Ortschaften liegt (das sind nach französi-
schem Rechte, Dekret v. 7. 3. 1808, 1000 Meter).
Daß die Begräbnisstätten von den bewohnten
Orten getrennt sein sollen, ist eine alte Forderung
der Hygiene, die schon in den XII Tafeln aner-
kannt worden ist. Abgesehen von Familienbegräb-
nissen wird sie heute auch noch zu Gunsten von
Begräbnissen in den Kirchen durchbrochen, wäh-
rend dies im ALR lI, 11 & 184 und im
französischen Rechte ausnahmslos verboten ist.
Immerhin ist es eine Ausnahme — in Bayern
bildet es ein Vorrecht der Bischöfe — während
im Mittelalter und auch in der Reformationszeit
der fromme Sinn der Christen ein Begräbnis in
der Kirche besonders erstrebte und gewährt erhielt.
Bezüglich der Mindestentfernung der neu an-
zulegenden Friedhöfe von bewohnten Flächen
geht die Praxis auseinander; in Preußen verlangt
man im allgemeinen mindestens 188,5 m, nach ei-
nigen Verordnungen 600 Fuß, 1000 Schritte, in El-
saß-Lothringen 35—40 m, in Sachsen 280 m, in
Baden 250—370 m, in England 183 m, in Frank-
reich 1000 m usw. Bei genügender Tiefe der Grä-
ber scheinen die früheren Befürchtungen wegen
Ansteckungsgefahr den neueren medizinischen An-
schauungen nach stark übertrieben gewesen zu
sein. Durch die Anlage von Friedhöfen entstehen
öffentliche Belastungen für die umliegenden
Grundstücke. So dürfen z. B. in Elsaß-Lothringen
neue Wohngebäude nicht näher als 100 m errichtet,
Brunnen dürfen nicht gegraben werden; auch
können vorhandene Brunnen geschlossen werden.
Wie die Anlage, Verlegung und Vergrößerung
der Friedhöfe im allgemeinen, so regeln polizei-
liche Vorschriften auch die Anlage der Gräber, ihre
Größe, Tiefe, Lage nebeneinander, die Fristen,
innerhalb deren sie erneut benutzt werden dürfen
usw. Wenn ein Friedhof geschlossen ist, so darf
er erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, z. B. in
Preußen erst nach 40 Jahren, in Hessen nach 30,
in Baden nach 20, im französischen Recht nach
fünf Jahren, zu anderen Zwecken verwendet
werden. Nach fünf Jahren kann er in Elsaß-
Lothringen von der Gemeinde verpachtet werden;
jedoch dürfen zunächst dort keine Ausschachtungen
vorgenommen und erst nach 10 Jahren dürfen
Friedhöfe in freien Verkehr gebracht werden.
II. Während man unter der Herrschaft des
gemeinen Rechtes die Begräbnisplätze als res
extra commercium behandelte, wird heute an
ihnen ein durch die öffentlichen Zwecke beschränk-
tes Eigentum anzunehmen sein. Und zwar stehen