Bestattungswesen
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Apostaten, Schismatikern und Ketzern, sowie den
im Duell Gefallenen. Denn alle diese Personen
haben gegen die kirchlichen Vorschriften gröblichst
verstoßen.
Die evangelische Kirche kennt eine Fürsorge
für die Seelen der Geschiedenen nicht; sie spricht
den Segen über die Gestorbenen und hält den
Hinterbliebenen und sonstigen Teilnehmern eine
Leichenpredigt. Dazu kommt noch die feierliche
Begleitung. Auf diese Teilnahme der Kirche ha-
ben natürlich nur die eigenen Glieder Anspruch.
Ungetauften Kindern evangelischer Eltern ist das
Begräbnis auf dem kirchlichen Friedhofe nicht zu
versagen, jedoch können die geistliche Begleitung
und die kirchlichen Ehren bei der Beerdigung sol-
cher Kinder, welche durch Schuld der Eltern un-
getauft geblieben sind, seitens der Angehörigen
nicht beansprucht werden (Preuß. Kirchen G v.
30. 7. 80). Eine solche „stille“ Beerdigung kann
auch stattfinden auf Wunsch des Verstorbenen
oder seiner Hinterbliebenen, auf Anordnung der
Polizei bei ansteckenden Krankheiten und bei Un-
bekannten. Auch versagt die Kirche das kirchliche
Begräbnis aus Gründen der Kirchenzucht, nach
heutiger Praxis allerdings überall nur gegenüber
zurechnungsfähigen Selbstmördern. Hier und dort
wird auch noch in anderen Fällen Kirchenzucht
geübt, worauf hier nicht näher einzugehen ist.
Die Beerdigung ist ein pfarramtliches Recht, zu
dessen ausschließlicher Ausübung der Pfarrer des
letzten Domizils des Verstorbenen berufen ist;
daher hat die Beerdigung auch in der Regel auf
dem Friedhofe dieses Pfarrsprengels zu erfolgen.
Auf Wunsch des Verstorbenen oder der Hinter-
bliebenen kann die Beerdigung auch auf einem
außerhalb der Parochie des Domizils liegenden
Friedhofe durch den dort zuständigen Pfarrer
vorgenommen werden. Lehnt der Pfarrer der
Konfession des Verstorbenen die Beerdigung aus
irgend einem Grunde ab, so erscheint ein charita-
tives Eingreifen eines Geistlichen einer anderen
Konfession nicht ausgeschlossen.
# 4. Tie Fenerbestattung. Der Beerdigung
sucht in neuerer Zeit die Feuerbestattung starke
Konkurrenz zu machen. Die Sitte der Toten-
verbrennung war wie den Römern — wo sie aller-
dings niemals die ausschließliche Art der Toten-
bestattung gebildet hat — so auch den alten Ger-
manen bekannt, wenn auch nicht bei allen Stäm-
men üblich. Bei den Sachsen hat Karl d. Gr.
diese Sitte mit schweren Strafen bekämpft. Die
christliche Sitte des Begrabens wurzelt seitdem
so fest im deutschen Volke, daß sich eine andere
Art nur schwer einzubürgern scheint. Dem gegen-
über entfalten die Anhänger der Verbrennung in
neuerer Zeit eine lebhafte Propaganda, sie heben
die reine Aesthetik dieser Bestattungsform, die
hygienischen Vorzüge, und ihre volkswirtschaftliche
Bedeutung namentlich für größere Städte hervor.
Von den Gegnern wird darauf hingewiesen, daß
die beiden ersten Gesichtspunkte auf falschen Vor-
aussetzungen beruhen und die letztere Bedeutung
weit übertrieben werde; auch werden die juristi-
schen Bedenken betont, wonach durch Verbrennung
die Entdeckung mancher Verbrechen, oder die Ent-
kräftung unwahrer Gerüchte usw. verhindert
werde. Die Haltung der Staaten ist verschieden.
Von den deutschen Staaten haben zwölf die Er-
richtung von Krematorien gestattet; andere die-
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—..
selben untersagt, ja Anträge auf ihre fakultative
Zulassung abgelehnt (so Preußen, Bayern). Eine
prinzipiell wichtige Entsch des Preußischen OV##
v. 15. 5. 08 hat das Verbot eines Krematoriums
durch die Polizei Verw zu Hagen aufrecht erhal-
ten mit der Motivierung, daß es auf dem Boden
der jetzigen Rechtsordnung unmöglich sei, die dem
Staate zustehenden Rechte der Feuerbestattung
gegenüber zur Geltung zu bringen. Sachsen hat
sie durch G v. 29. 5. 06 zugelassen und geregelt.
Für Württemberg hat der Min E v. 28. 11. 04
den Gemeinden freie Hand gelassen. Immerhin
ist die Zahl der Krematorien heutzutage keine
geringe. In Deutschland bestehen solche zu Gotha,
Heidelberg, Hamburg, Jena, Offenbach, Mann-
heim, Eisenach, Mainz, Karlsruhe, Heilbronn,
Ulm, Stuttgart, Chemnitz, Bremen, Coburg.
Die Errichtung bezw. Eröffnung weiterer Kre-
matorien in Dresden, Leipzig, Plauen usw. steht
bevor; auch für Bayern in München und Nürn-
berg (hier ist die Rechtslage noch nicht geklärt).
(Bei Errichtung eines Krematoriums in Zittau
hat die sächsische Regierung die „kirchliche Gestal-
tung“ des Gebäudcs, die geradezu ein kirchliches
Acrgernis geben würde und auch eine künstlerische
Unwahrheit darstelle, beanstandet.) Italien be-
sitzt 26, England 12, Frankreich 11, Schweiz 4,
Schweden 2, Dänemark 1, Spanien 6, Nord-
amerika 24, Japan 9 Krematorien.
Die Stellung der Kirche zu dieser Bestattungs-
weise ist heute noch eine ablehnende. Die katho-
lische Kirche unterscheidet, ob die Verbrennung
auf Wunsch des Verstorbenen oder lediglich auf
Wunsch der Hinterbliebenen geschieht. Im letzte-
ren Falle ist eine kirchliche Mitwirkung im Sterbe-
hause und in der Kirche zulässig, nicht am Ver-
brennungsorte. Im ersteren Falle unterbleibt die
kirchliche Teilnahme (Decr. Congr. Inquis. v.
15. 12. 86, 27. 7. 92), denn die Kirche betrachtet
die Leichenverbrennung als detestabilis abusus
und verbietet darum auch den Beitritt zu Fcuer-
bestattungs-Gesellschaften.
Auch in der evangelischen Kirche ist eine amt-
liche Mitwirkung der Geistlichen nicht gestattet;
vgl. die Entsch des Ev. Oberkirchenrats in Berlin
v. 24. 5. 80; Beschl der Eisenacher Konferenz,
Allgem. Kirchenblatt 1898 S 614; wohl dagegen
wird vielfach eine Hausandacht, die in keinem
Zusammenhange mit der Ueberführung zur Ver-
brennungshalle steht, für zulässig erklärt. Die
sächsische V v. 8. 11. 06 (Allgem. Kirchenbl. 1907
S 10.2) gestattet die kirchliche Trauerfeier auch in
der Redehalle, in dieser auch dann, wenn sie sich
auf dem Grundstücke der Verbrennungsanlage
befindet, jedoch hat die kirchliche Trauerfeier vor
der Verbringung oder Versenkung der Leiche in
den Verbrennungsraum zu endigen.
Eine weitere hier sich anschließende Frage ist
die der Aufbewahrung der Aschenurnen, besonders
die Frage der Zulässigkeit der Beisetzung der
Aschenurnen auf kirchlichen Friedhöfen. Die
Praxis ist verschieden. Die Genehmigung der
stillen Beisetzung ist zumeist der Kirchengemeinde
überlassen. Die sächsische V v. 8. 11. 06 verbietet
besonders noch die Aufstellung über der Erde.
Das Reichsgericht hat in einer Entsch v. 29.
5. 02 einen Anspruch auf Beisetzung der Aschen-
urnen in Erbbegräbnissen auch auf kirchlichen
Friedhöfen anerkannt (Gruchot, Beiträge 46,