Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Bestattungswesen — Bettel- und Wanderwesen 
  
1140; DJZZ 1902 Nr. 55). Dem gegenüber glau- 
ben die konfessionellen Gemeinden sich durch 
besondere Bestimmungen in den Friedhofs-Ord- 
nungen wehren zu können. 
Kiteratur: HW Staats Wi unter „Beerdigungswesen“; 
Holtzendorff R2L, ebenda; Die Lehrbücher des Kirchenrechts 
von Richter-Dove-Kahl, Friedberg und Schön (II 4 82); 
Kohl, Das Friedhofs-- und Begräbnisrecht in Preußen, 
1908; Harwelk, Oesterreich, Friedhofsrecht, 1904; Pe- 
trakakos, Die Toten im Recht, 1905; Arch für katho- 
lisches Kirchenrecht 70, 140! Bahnsen, Die Stellung 
der ev. Kirche zur Feuerbestattung, 1898; Deutsche 8 für 
Kirchenrecht 9 S 303, 349; 20, 69 ff; Annalen 1904, 218; 
Goes, Die Friedhofsfrage, 1905; Biermann, die öf- 
sentlichen Sachen 1905 S. 48 ff; A. Hellwig, Gerichtl. 
Medizin und Feuerbestattung 1910; Kommunales Jahr- 
buch 1908, 84 ff. Sehling. 
— —— — — 
Bettel- und Wanderwesen 
# 1. Gesetzlicher Zustand (Mängel). 1 2. Reformen. 
53. Arbeiterkolonien. #4. Herbergen zur Heimat. 5. Für- 
sorge für Obdachlose. 
IA— Armsen); B= Bettellei); W — Wander.)] 
8 1. Der gesetzliche Zustand (Mängel). In 
dem Art. A#esen ist bei II 82 (AVerwaltung) 
und III §82 (APolizei) dargelegt worden, aus wel- 
chen Gründen die ApPflege sich auch arbeitsfähigen 
Personen gegenüber nicht ganz der helfenden Tä- 
tigkeit versagen könne und wie sie sich hierbei 
gegen Mißbrauch schützen müsse. Mittel solchen 
Schutzes sind sorgfältige individualisierende Prü- 
fung des einzelnen Falles, Forderung einer Ar- 
beitsleistung gegen Gewährung der Unterstützung; 
oder auch Anwendung des Arbeitszwanges gegen 
das Familienhaupt, wenn die Angehörigen unter- 
stützt werden müssen. Doch ist in allen diesen 
Fällen vorausgesetzt, daß der Bedürftige oder 
dessen Angehörige die APflege tatsächlich an- 
rufen. Wird die gegenwärtige Gestaltung der 
öffentlichen APPflege rein theoretisch betrachtet, 
so ergibt sich, daß an sich kein Notstand denkbar 
ist, der durch die APflege nicht beseitigt werden 
könnte und müßte. Sie muß das an Nahrung, 
Kleidung, Obdach, Krankenpflege Erforderliche 
gewähren. Hat die Gesetzgebung in solcher Weise 
den Schutz der Bedürftigen gegen Mangel geord- 
net, so muß sie jedes Verhalten als ungesetzlich 
kennzeichnen, durch das außerhalb der geordneten 
A#flege die öffentliche Gemeinschaft um Beseiti- 
gung des Mangels angegangen wird. Die Gesetz- 
gebung stellt daher ein derartiges Verfahren, das 
sie als B, Landstreichen und verschuldete Obdach= 
losigkeit bezeichnet, unter Strafe. Es ist schon 
[AArmenwesentl dargelegt worden, wie nahe 
sich A- und BWesen berühren und wie erst in neu- 
erer Zeit beide von einander geschieden behandelt 
zu werden pflegen. Tatsächlich hängen aber noch 
gegenwärtig A- und BWesen auf das engste zu- 
sammen, sodaß der Stand des BWesens in einem 
Lande geradezu als Gradmesser des Zustandes der 
öffentlichen APPflege betrachtet werden kann. 
1. Zunächst ist über die gegenwärtig gel- 
tende deutsche Gesetzgebung auf diesem Ge- 
  
  
biet solgendes zu bemerken. Nach §3 361 St GB 
wird mit Haft bestraft: 3) wer als Landstreicher 
umherzieht; 4) wer bettelt oder Kinder zum 
B anleitet oder ausschickt, oder Personen, welche 
seiner Gewalt und Aufsicht untergeben sind 
und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, vom 
B abzuhalten unterläßt; 5) wer sich dem Spiel, 
Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß er 
in einen Zustand gerät, in welchem zu seinem 
Unterhalte oder zum Unterhalte derjenigen, zu 
deren Ernährung er verpflichtet ist, durch Ver- 
mittlung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch 
genommen werden muß; 8) wer nach Verlust 
seines bisherigen Unterkommens binnen der ihm 
von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich 
kein anderweitiges Unterkommen verschafft hat 
und auch nicht nachweisen kann, daß er solches der 
von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet 
nicht vermocht habe. Neben der aus § 361 zu er- 
kennenden Haftstrafe läßt § 362 die sog. korrek- 
tionelle Nachhaft zu l// Korrigenden- 
wesen). 
Genaue gesetzliche Begriffsbestimmungen fehlen 
sowohl für den Begriff des B wie den des Land- 
streichens. Doch kommen Theorie und Praxis im 
wesentlichen dahin überein, daß unter einem 
Bettler derzjenige zu verstehen ist, der sich aus 
wirklicher oder angeblicher Bedürftigkeit an eine 
ihm fremde Person bittend wendet und unter 
einem Landstreicher derzjenige, der ohne 
Arbeit und Erwerb im Lande umherzieht und hier- 
bei die Hilfe von fremden Leuten in Anspruch 
nimmt. Von dem oben angedeuteten Standpunkt 
aus, den die Gesetzgebung gegenüber der ApPflege 
einnehmen mupß, ist die Strafandrohung gerechtfer- 
tigt. Wer bedürftig ist, soll sich an die geordnete 
APflege wenden. Wenn er fremde d. h. zu ihm 
in keiner näheren Beziehung stehende Personen 
um Hilfe anspricht oder wenn er im Lande umher- 
zieht, wohl wissend, daß er ohne Arbeit und Er- 
werb und daher auf die Hilfe fremder Leute ange- 
wiesen ist, so belästigt er die durch geordnete A- 
Pflege vor solchem B zu schützende Bevölkerung; 
gilt dies schon für den wirklichen Bedürftigen, so 
kommt ein anderes Moment hinzu, das der Gesetz- 
geber in Wahrheit am meisten treffen will, daß 
nämlich das Ansprechen fremder Personen sehr 
häufig auf absichtlicher Täuschung beruht und bei 
der erfahrungsmäßig großen und fast nie wirksam 
zu bekämpfenden Geneigtheit des Publikums zum 
Almosengeben an unbekannte Bettler und Land- 
streicher zum gewerbsmäßigen B und Landstreichen 
wird. Dasselbe gilt von dem in Nr. 4 mit Strafe 
bedrohten Kinderbettel. In weiterer Entwicklung 
führt ein solches B= und Landstreicherwesen die 
daran Beteiligten erfahrungsmäßig zu schwereren 
Zuwiderhandlungen, zu Diebstahl, Raub und 
Schlimmerem. Die Praxis neigt dazu, vor allem 
diesen Mißbrauch der öffentlichen Wohltätigkeit 
zu bestrafen, sodaß Straflosigkeit da eintritt, wo 
jemand zur Abwendung eines unverschuldeten auf 
andere Weise nicht zu beseitigenden Notstandes sich 
an fremde Personen wendet. Nicht unter den Be- 
griff des B fällt die Bitte an die Armenbehörde 
des Aufenthaltsortes oder dem Bittenden zwar 
fremde, aber dem Zweck der Hilfe dienende Ein- 
richtungen der privaten und kirchlichen Wohltätig- 
keit. Viele sind genötigt zu „wandern“, weil 
man sie, wenn sie mittellos, aber arbeits= und 
 
	        
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