Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Bezirk (Baden — Elsaß-Lothringen) 
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zirksräte (bad. GBBl 1884, 63), landesherrliche B v. 12. 
7. 64 (RBl 333), geändert durch V v. 4. 11. 74 (GVBl 
538) und V v. 31. 8. 84, das Berfahren in Verw Sachen 
betr. (GBl 385). Abgedruckt in F. Wielandt, Neues 
babd. Bürgerbuch, 2 Bde., 1907 und 1908. 
Literatur: S. unter „Behördenorganisation in 
Baden“; außerdem H. Kiefer, Der Bezirksrat, seine 
Ernennung und Tätigkeit, 1902; R. Thoma, Der Polizei- 
beschl im badischen Recht, 1. T., 1906; die Jahres= und 
Geschäftsberichte des badischen Ministe- 
riums des Innern 1880/81, 1882/83, 1884,/88, 
1889/96, 1897/1905. Schenkel (Lewald). 
VI. Elsatz-Lothringen 
#ms 1. Der Bezirk als Selbstverwaltungskörper. #2. Zu- 
sammensetzung des Bezirkstages. # 3. Verwaltung der 
Bezirksangelegenheiten. # 4. Zuständigkeiten des Bezirks- 
tags in anderen als Bezirksangelegenheiten. 
§ 1. Der Bezirk als Selbstverwaltungskörper. 
Die drei B. Ober-Elsaß, Unter-Elsaß und Lothrin- 
gen bilden die oberste Landeseinteilung Elsaß- 
Lothringens. Sie haben danach zunächst die Be- 
deutung der räumlichen Abgrenzung von Aemtern 
der Landesverwaltung, als deren wichtigstes das 
des B. Präsidenten erscheint. [UElsaß-Loth- 
ringen Behördenorganisation 441]. 
Außerdem aber geben sie die Grundlage eigener 
Selbstverwaltungskörper. Für ihr Gebiet und die 
Gesamtheit der darin wohnenden Reichsangehöri- 
gen besteht unter dem Namen B. ein besonderes 
öffentliches Gemeinwesen, ein Kommunalverband. 
Im G v. 28 pluv. VIII, welches in jedem De- 
partement neben den Präfekten ein conseil général 
stellte, war dieses zunächst nur als beratendes Kol- 
legium gedacht, das berufen wäre, die Wünsche 
und Meinungen der Departementsbevölkerung 
gegenüber dem staatlichen VerwBeamten zum 
Ausdruck zu bringen, ein bloßes Hilfsinstitut des 
letzteren; dazu sollte es eine gewisse Mitwirkung 
ausüben bei der Erhebung der direkten Staats- 
steuern. Erst allmählich wurden eigene Angelegen- 
heiten der Departements und damit diese selbst als 
Gtablissements publics (Selbstverwaltungskörper) 
anerkannt. Den Anfang machten gewisse größere 
Straßen, welche man für Eigentum und Last der 
Departements erklärte. Für die Verwaltung dieser 
Departementsangelegenheiten erhielten die Ge- 
neralräte naturgemäß eine entscheidende Stimme 
eingeräumt. Aber zu einem wesentlichen Teil 
blieb diese Verwaltung in den Händen des Staats- 
beamten im Departement, des Präfekten, welcher 
* eine eigentümliche Doppelstellung ein- 
nahm. 
Die deutsche Gesetzgebung hat die ganze Einrich- 
tung bestehen lassen und nur die Namen geändert: 
Bezirkstag, wie das conseil général jetzt heißt, und 
B.-Präsident sind die Vertreter des Bezirks. 
#§ 2. Zusammensetzung des Bezirkstages. Je- 
der B. Tag hat so viele gewählte Mitglieder als der 
B. Kantone FEls-Lothringen, Behördenorganisa- 
tion § 2) zählt. Die Wählerlisten werden von der 
Gemeindebehörde aufgestellt nach den für die 
Wahlen zum Gemeinderat geltenden Regeln. 
Wahlberechtigt ist, wer auch zum Ge- 
meinderat wählen dürfte, also jeder Deutsche, wel- 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 
  
cher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, gegen den 
keine gesetzlichen Ausschlußgründe bestehen und der 
in der Gemeinde und, sofern sie in mehrere Kan- 
tone zerfällt, im Kanton seinen Wohnsitz hat. 
Wählbar ist jeder Deutsche, der die gleichen Vor- 
aussetzungen persönlicher Fähigkeit erfüllt, wenn 
er im Lande seinen Wohnsitz hat und im B. zu einer 
direkten Staatssteuer veranlagt ist. Gewisse Aem- 
ter und Dienststellungen sind überdies für unver- 
einbar erklärt mit der Mitgliedschaft im B.Tage, 
so daß die an sich gültige Wahl nicht angenommen 
werden kann, wenn nicht zuvor jenes Verhältnis 
gelöst ist (B. Präsidenten und Kreisdirektoren 
schlechthin, sodann eine Reihe von anderen Aem- 
tern, wenn ihr Sitz im B. ist). Der B. Präsident 
schreibt die Wahlen aus. Ein Wahlvorstand 
wird gebildet für jede Gemeinde; das Ergebnis 
wird im Kantonshauptorte zusammengestellt. 
Ueber Wahlstreitigkeiten entscheidet der B. Rat als 
Verwcericht [UVerwaltungsstreitver- 
fahren 8 4). 
Der B.Tag versammelt sich alljährlich zur ordent- 
lichen Sitzung; außerordentliche Einberufungen 
geschehen dazwischen nach Bedürfnis. Der Statt- 
halter ordnet in Vertretung des Kaisers die Ein- 
berufungen an und bestimmt dabei auch die Dauer 
der Tagung; der B. Präsident erläßt darauf die 
Einladung an die Mitglieder. Auf eigenmächti- 
gem Zusammentreten und Beisammenbleiben 
steht Strafe, insbesondere auch zeitweilige Un- 
fähigkeit zur Mitgliedschaft (G v. 22. 6. 33 a 15). 
Die Wahl geschieht auf 9 Jahre, mit Drittels- 
erneuerung des B.Tages nach je 3 Jahren. 
Der Kaiser kann jederzeit die Auflösung des 
B.Tages anordnen. Die Auflösung des Landes- 
ausschusses zieht von selbst die der B.Tage nach sich. 
Neuwahlen haben innerhalb dreier Monate statt- 
zufinden. Der B. Präsident kann die Tagung vor- 
läufig schließen, wenn der B.Tag in Verkehr mit 
gleichartigen Versammlungen tritt oder unbefugter- 
weise Aufrufe und Adressen erläßt. 
§ 3. Berwaltung der Bezirksangelegenheiten. 
Was B. Angelegenheit sei, ist teils durch das Gesetz 
bestimmt, teils der B.Verwaltung zu genauerer 
Bestimmung nach Art und Umfang überlassen. 
Die Besorgung aller dieser Angelegenheiten steht 
grundsätzlich dem B. Präsidenten zu, als dem or- 
dentlichen Vertreter des B. auch als Selbstverwal- 
tungskörpers. Er steht auch in dieser Hinsicht unter 
Dienstgewalt und Abänderungsrecht des Ministe- 
riums. Nur ist er hier in gewissem Maße an die 
Mitwirkung und die Beschlüsse des B.Tages ge- 
bunden und von dieser Gebundenheit kann ihn 
auch seine vorgesetzte Behörde nicht befreien. Dar- 
in besteht das Recht der Selbstverwaltung des 
Bezirks. 
Die Beschlüsse des B.Tages sind regel- 
mäßig endgültig und bedürfen keiner Bestätigung, 
um wirksam zu sein. Sie können im Falle der 
Gesetzesverletzung oder Zuständigkeitsüberschrei- 
tung innerhalb zweier Monate nach Schluß der 
Tagung vom Statthalter für nichtig erklärt werden. 
Ausnahmsweise werden sie erst gültig durch be- 
hördliche Bestätigung, welche je nachdem vom B.= 
Präsidenten, vom Ministerium oder vom Statt- 
halter zu erteilen ist (landerweite Verwendung von 
B. Gebäuden, welche Zwecken der Landesverwal- 
tung dienen, Aufnahme von B. Anleihen). Die 
Zuständigkeiten des B.Tages beziehen sich wesent- 
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