Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Binnengewässer 
scheiden sie sich auch noch von den Flüssen, Strömen 
und KanälenX/I als stehende Gewässer, denen 
nicht durch fortlaufend begleitende Ufer die Form 
einer Wasserstraße gegeben ist. Sie sind im allge- 
meinen nur wenig Gegenstand eigner Rechtsord- 
nungen geworden. Vielmehr entlehnen sie 
ihr Recht entweder dem des Grundeigentums oder 
dem der Ströme und Flüsse. Nach diesem Maß- 
stabe zerfallen sie in zwei Hauptgruppen: ge- 
schlossene Gewässer und Seen. Eine besondere 
Betrachtung verdient noch der Bodensee (unten 
#s 4), insofern bei ihm völkerrechtliche Fragen her- 
einspielen. 
## 2. Geschlossene Gewässer. Wir verstehen 
darunter solche stehenden Gewässer, welche in 
freiem privatrechtlichem Eigentum stehen. Sie 
sind teils natürliche, teils künstliche. Die Eigenart 
* ersteren hat den gemeinsamen Namen gelie- 
ert. 
Natürliche geschlossene Gewäs- 
ser sind die stehenden Gewässer, welche keinen 
Abfluß haben. Das wird in unserem Klima nur 
zutreffen bei Wasserbehältern von geringem 
Umfange, ganz kleinen Seen, Tümpeln. Der 
Mangel eines Abflusses schließt von selbst die 
Rechtsbeschränkungen aus, welche die Natur des 
fließenden Wassers vermöge seiner Bestimmung 
zum Gemeingebrauch und zur gemeinsamen Be- 
nutzung der aufeinander folgenden Wasserlauf- 
angrenzer mit sich bringt. Nicht bloß das Bett 
und das Ufer, sondern auch die Wassermasse selbst 
ist hier des vollen privatrechtlichen Eigentums 
fähig. Das Gewässer kann einem besonderen 
Eigentumsrechte unterstehen, getreunt vom Ei- 
gentum der Ufergrundstücke oder mit diesen in 
rechtlicher Zugehörigkeit verbunden sein. Im 
Zweifel ist das letztere der Fall und zwischen 
mehreren Uferbesitzern das Gewässer nach der 
Mittellinie geteilt. Das öffentliche Recht greift 
nur ein wie gegenüber jedem Grundeigentum, 
also in den Formen der Enteignung und dergl. 
Nur können hier Maßregeln der Gesundheits- 
und Sicherheitspolizei besonders nahe liegen. 
Auch findet das VerwRecht der Entwässerungs- 
unternehmungen hier Anwendung (7 Be- 
wässerungen!. 
Dem stehen gegenüber künstlich geschaffene 
Wasserbecken von der gleichen juristischen Natur, 
die Teiche, Weiher. Sie werden hergestellt 
durch Ausgraben des Bodens oder Sperrung des 
natürlichen Gefälles. Sie dienen als Privatunter- 
nehmen vor allem der Fischzucht oder der Span- 
mung der Wasserkraft für Triebwerke. Gemein- 
den und andere öffentliche Gemeinwesen dieser 
Art halten solche Weiher als öffentliche Vieh- 
schwemmen oder Viehtränken; auch Feuerweiher 
werden angelegt zur Bereithaltung des nötigen 
Wasservorrates für den Fall der Feuersnot. Neu- 
erdings hat der Staat in immer großartigerer 
Weise sich dieser Einrichtungen bedient, um 
Schiffahrtskanäle daraus mit den nötigen Wasser- 
mengen zu versehen (Speiseweiher), oder auch 
um natürliche Wasserläufe auf dem für Industrie 
und Landwirtschaft erwünschten Gleichmaß der 
Wasserführung zu erhalten (Talsperren). Immer 
wird hier ein Wasserlauf benutzt werden, der die 
Füllung abgibt. Bei Neuschaffung eines solchen 
Teiches wird man sich also mit den an dem 
Wasserlauf bereits Berechtigten 
  
  
abfinden müssen, insofern sie dabei Einbuße er- 
leiden an der verfügbaren Wassermenge; unter 
Umständen können diese gerade umgekehrt Vor- 
teile aus der Einrichtung ziehen und zu Beiträgen 
herangezogen werden. Einmal geschaffen, steht 
der Teich rechtlich den natürlichen geschlossenen 
Gewässern gleich. Das gesammelte Wasser ist 
volles Privateigentum, dem Gemein- 
gebrauch und dem Mitbenutzungsrecht der Ufer- 
eigentümer als solcher entzogen. Selbstverständ- 
lich mit Vorbehalt der Beschränkungen und Son- 
derrechte, welche gerade bei Gelegenheit der 
Gründung des Unternehmens eingeräumt wer- 
den mußten. 
Eigentümer ist der Unternehmer, der die Wasser- 
ansammlung veranstaltet. Er besitzt dadurch zu- 
gleich den Grund und Boden, auf dem der Teich 
eingerichtet ist. Im übrigen können die bürgerlich- 
Fchtlichen Verhältnisse daran verschieden gestaltet 
ein. 
Das öffentliche Recht greift ein nach den Re- 
geln, welche überhaupt Eingriffe in das Grund- 
eigentum ordnen, wie bei den natürlichen ge- 
schlossenen Gewässern. Polizeiliche Maßregeln 
zum Schutze der öffentlichen Gesundheit und 
gegen Ueberschwemmüungsgefahren finden da- 
neben Anwendung. Bei den eigenen Unterneh- 
mungen des Staates, namentlich bei den großen 
Talsperren, die, wie die Erfahrung in andern 
Ländern gelehrt hat, im Falle eines Wasser- 
durchbruches viel Unheil anrichten können, käme 
eintretendenfalles die Entschädigungspflicht 
des Staates (Jnach öffentlich-rechtlichen Gesichts- 
punkten in Frage. — Nicht zu verwechseln mit den 
hier besprochenen Einrichtungen sind solche na- 
türliche Seen, welche nicht erst für industriclle 
oder Bewässerungszwecke geschaffen, sondern nur 
an ihrem Abfluß mit einer künstlichen Vorkehrung 
versehen sind, um diesen zu regulieren. Diese 
bleiben dessen ungeachtet dem Rechte der Seen 
(vgl. § 3) und nicht dem der Teiche unterworfen. 
§ 3. Seen. Darunter werden verstanden na- 
türliche Becken mit Wasserablauf: durch den Zu- 
sammenhang mit einem solchen erhalten sie ihre 
rechtliche Eigentümlichkeit. Dieser Ablauf kann 
ein Privatfluß oder ein öffentlich-rechtlicher Strom 
sein. Auch die Seen sind teils Privatseen, teils 
öffentliche. Nach preußischem Recht fällt dieser 
Unterschied mit jenem zusammen. Begrifflich ist 
das nicht notwendig. Es kommt wesentlich darauf 
an, ob der See dem öffentlichen Verkehr dient. 
Das wird ja stets der Fall sein, wenn ein schiff- 
barer Fluß, ein Strom daraus hervorströmt. 
Aber auch ohne dies kann der See bei genügen- 
dem eigenen Umfang diese Natur haben. Das ist 
Tatfrage. Dazu muß der See, um ein öffentlicher 
See zu sein, dem Staat oder einem andern Gemein- 
wesen zugehören. Oeffentliche Sachen gibt es 
ursprünglicherweise nur bei diesen. Der bayrische 
Königssee, welcher der Zivilliste zugesprochen 
wurde, ist kein öffentlicher See. 
Alle Seen stehen im Gemeingebrauch 
für jene geringfügigen Nutzungen, welche auch 
an allen Arten von Flüssen gemein sind: für Ba- 
den, Waschen, Viehtränken, für das Befahren 
mit Kähnen, so weit es möglich ist, und dergl. 
Inwiefern man, ohne Angrenzer zu sein, die Mög- 
lichkeit hat, diesen Gemeingebrauch zu üben, ist 
eine Frage für sich. 
317
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.