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und als solche denselben dafür verantwortlich, daß
sie deren Instruktionen gemäß abstimmen.
Dem Reich und den übrigen Staaten gegenüber
sind die B. Mitglieder Vertreter, Bevollmächtigte
der Einzelstaaten. Der B. hat daher das Recht
und die Pflicht, die Vollmacht oder Legitima-
tion seiner Mitglieder zu prüfen. Soweit diese Prü-
fung nicht materielle Rechtsfragen, sondern nur
die sformelle Legitimation betrifft, liegt sie dem
R als dem Vorsitzenden des B. und Minister des
Kaisers ob. Dagegen hat der B. weder die Pflicht
noch das Recht, den Auftrag oder die Instruktion
seiner Mitglieder zu prüfen. Für die Rechtswirk-
samkeit der Abstimmung ist es unerheblich, ob die
letztere so, wie sie erfolgt ist, wirklich durch die
erhaltene Instruktion gerechtfertigt erscheint oder
nicht.
„Bei der Beschlußfassung über eine Angelegen-
heit, welche nach den Bestimmungen der Verfas-
sung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich
ist, werden die Stimmen nur derjenigen Bundes-
staaten gezählt, welchen die Angelegenheit ge-
meinschaftlich ist“ (RV a 7 Abs 4). Die Beschrän-
kung des Stimmrechts tritt hiernach nur ein bei
denjenigen Angelegenheiten, welche nach der
Verfassung nicht gemeinschaftlich sind; da-
gegen nicht bei Beschlüssen, welche sich tatsäch-
lich nur auf einen Teil des Bundesgebietes oder
der Bundesmitglieder beschränken, oder welche sich
auf Reichsgesetze beziehen, welche nicht für das
ganze Bundesgebiet erlassen worden sind.
#J 3. Der Bundesrat als Organ des Reiches.
Das Recht des Einzelstaates konsumiert sich durch
die im B. erfolgte Abstimmung: nur bis zu diesem
Moment erscheint die Individualität des einzelnen
Staates als maßgebend. Sobald der B. einen
Beschluß gefaßt hat, oder sofern er als Ein-
heit rechtlich in Betracht kommt, ist er ein Willens-
organ des Reiches. Eine Definition des B.,
den Wirkungskreis desselben so zu bestimmen,
daß alles, was ihm obliegt, eingeschlossen und alles
andere ausgeschlossen ist, erweist sich als unmöglich;
wohl aber kann man die Stellung des B. im Or-
ganismus des Reiches näher bestimmen, nament-
lich im Gegensatz zu der Stellung des Koaisers.
Der B. ist durchweg nur befugt, Beschlüsse zu
fassen, niemals sie auszuführen. Der B. be-
schließt die Gesetze, die Staatsverträge, die Auf-
lösung des RT, die Bundesexekution gegen Bun-
desglieder, aber die Verkündigung der Gesetze,
die Ratifikation und Verkündigung der Staats-
verträge, die Ausführung des Auflösungsbe-
schlusses, die Vollstreckung der Exekution ist Sache
des Kaisers; der B. kann allgemeine Verw Vor-
schriften zur Ausführung der Reichsgesetze be-
schließen, aber weder sie zur Ausführung bringen
noch deren Ausführung überwachen; er kann für
gewisse Stellen im Reichsdienst Vorschläge ma-
chen, aber keinen Reichsbeamten ernennen. Der
B. kann wie der R beschließen, aber niemals
etwas befehlen; das imperium im Reich hat der
Kaiser.
Der Schwerpunkt der dem B. zugewiesenen
Tätigkeit ruht in der Aufstellung der Rechtsregeln
und der allgemeinen Verw Normen. Der B. ist
das Gesetzgebungsorgan des Reiches; seine Tätig-
keit übt er aus teils unter Mitwirkung des RT
(Gesetze), teils selbständig (Verordnungen). Hier-
auf ist er aber nicht beschränkt; es steht ihm viel-
Bundesrat
mehr bei einigen wichtigen Verw Geschäften und
Reg Handlungen eine Mitwirkung zu. Der B. ist
daher nicht bloß Gesetzgebungsorgan, sondern
auch Verworgan des Reiches; in einzelnen Fällen
ist er auch berufen, bei der Aufrechthaltung der
Rechtsordnung im Reiche mitzuwirken. Zwischen
diesen Aufgaben des B. besteht aber eine große
Verschiedenheit. Daß der B. die Gesetze und Ver-
ordnungen beschließt, ist die Regel; sollen für
das Reich gültige Rechtsnormen ohne Beschluß-
fassung des B. zustande kommen, so muß dies
durch ein Gesetz besonders bestimmt sein. Dagegen,
daß der B. eine Mitwirkung an den eigentlichen
Reg Geschäften hat, ist die Ausnahme;:; sie
erstreckt sich nur soweit, als sie durch gesetzliche
Bestimmung angcordnet ist.
1. Der Bundesrat als Organ der
Gesetzgbung. Die Reichsverfassung weist
diese Funktion dem B. zu teils im a 5, teils im
a 7. Im a 5 wird der Grundsatz ausgesprochen:
„Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den
B. und den Reichstag“; nach a 7 Ziff. 1 beschließt
der B. „über die dem RT zu machenden Vor-
lagen und die von demselben gefaßten Beschlüsse“.
An der Reichsgesetzgebung nehmen außer dem B.
zwar auch der RT und der Kaiser teil; der erstere,
indem kein Gesetz erlassen werden darf, zu welchem
er nicht seine Zustimmung erteilt hat: der letztere,
indem ihm die Ausfertigung und die Verkündi-
gung der Gesetze zusteht; die Sanktion der
Rcichsgesetze erfolgt aber durch Beschluß des
Bundesrats.
2. Der Bundesrat als Organ der
Verwaltung. Der B. ist zwar keine Verw-
Behörde im gewöhnlichen Sinne des Wortes:
denn er kann nicht selbständig Verfügungen er-
lassen und ihre Ausführung unmittelbar erzwin-
gen, aber er ist in der Form der Beschlußfassung
an der Verwaltung beteiligt. Die Fälle, in denen
die Reichsgesetzgebung dem B. diese Befugnis
beilegt, sind sehr zahlreich und mannigfaltig und
nicht durch ein einfaches Prinzip bestimmt; in-
dessen lassen sich gewisse Gruppen hervorheben.
Gemäß a 7 Ziff. 2 der RV beschließt der B.
„Über die zur Ausführung der Reichsgesetze erfor-
derlichen allgemeinen Verw Vorschriften und Ein-
richtungen“. Er hat also das Verw Verordnungs-
recht. à 7 Ziff. 2 fügt aber die Klausel hinzu: „so-
fern nicht durch Reichsgesetz etwas anderes be-
stimmt ist“, d. h. entweder die Zustimmung des
RIX (die Form des Gesetzes) vorbehalten ist, oder
der Erlaß der Verordnung dem Kaiser, dem RK
oder einer anderen Reichsbehörde, oder den
Einzelstaaten übertragen wird.
Der B. beschließt ferner nach a 7 Ziff. 3 der
RV „über Mängel, welche bei der Ausführung
der Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten
Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten“.
Der Sinn dieser Bestimmung ist der, daß der B.
die Entscheidung fällt über die Auslegung oder
Handhabung der Reichsgesetze oder über eine all-
gemeine Einrichtung behufs Abhilfe der Mängel,
welche bei der Ausführung der Reichsgesetze her-
vorgetreten sind. Der B. bildet keine Instanz,
weder über den Reichsbehörden, noch über den
Zentralbehörden der Einzelstaaten, so daß an ihn
im Wege der Beschwerde oder des Rekurses der
einzelne Fall zur definitiven Entscheidung gezogen
werden könnte. Der B. kann keine von den Be-